Liddy Scheffknecht -- sciography

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Liddy Scheffknecht, sun tube,  2015, 6-teilige Fotoserie (#1 - #6), à 50 x
60 cm, Detail aus #3, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

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Liddy Scheffknecht, sciography, 2016, Ausstellungsansicht, Foto: Peter Paulhart, Courtesy Georg Kargl Fine Arts, Wien

Liddy Scheffknecht
sciography
18/03/2016 - 07/05/2016

Ohne Schatten gäbe es die Geschichte der Kunst nicht, sie ist gleichsam aus ihr heraus geboren, so jedenfalls will es die Legende. Plinius der Ältere schildert den Anfang der Malerei im ersten Jahrhundert nach Christus als rührende Liebesgeschichte: Debutade, eine junge Frau aus Korinth, nimmt im Kerzenlicht Abschied von ihrem Geliebten. Das Licht wirft einen Schatten an die Wand und das Mädchen zieht kurzerhand den Umriss ihres Liebsten nach, denn auch wenn er in die Ferne geht, sein Bild soll bleiben. Auch wenn die Geschichte der Malerei mit dem Schatten zu beginnen schien, führt er lange ein unliebsames Dasein: denn wenn Dinge Schatten werfen, wird die Malerei ganz schön kompliziert. Der Maler muss eine Lichtquelle ausweisen, muss bestimmen, aus welchem Winkel das Licht eintrifft, worauf der Schatten fällt, ob er Gegenstände auf dem Bild überschattet oder sich gar zwei Schatten überkreuzen. Neben technischen Schwierigkeiten, zeichnet sich auch ein ideologisches Problem ab, denn wer Schatten malt, verzeitlicht und verweltlicht die Kunst. Der Schatten verrät nicht nur die Tageszeit, er kündet auch von der Vergänglichkeit des Gezeigten. Wir sehen nicht länger das Ewige, sondern Augenblickliches, das vergeht, sobald die Schatten weiterwandern. Diese Schwierigkeiten der Malerei, sowohl praktischer als auch ideologischer Natur scheinen im Medium der Fotografie obsolet zu werden, ja gilt doch geradezu der Wirklichkeitsanspruch, das Festhalten eines flüchtigen Moments, das Gefrieren der Zeit als eines der Anliegen und als eine der Möglichkeiten der Fotografie. Sie kann einen bestimmten Zustand von Licht und Schatten in einem Bruchteil von Sekunden dauerhaft ins Bild bannen, eines kann jedoch auch dieses Medium nicht: die ständige Veränderung des Lichts in Szene setzen. Dies vermag der Film, der den zeitlichen Ablauf von Bewegung darstellen kann.

Das Spannungsfeld von Licht und Schatten, von Bewegung und Stillstand, das Hinterfragen und Ausreizen der Grenzen von Film, Fotografie, Installation und Zeichnung beschäftigt die Künstlerin Liddy Scheffknecht (*1980) seit rund 15 Jahren. In ihrer ersten Einzelausstellung bei Georg Kargl Fine Arts – 2011 waren ihre Arbeiten bereits in der Georg Kargl BOX zu sehen – lotet sie das Verhältnis von Zeitlichkeit und Wahrnehmung aus und erzeugt und bricht Illusion gleichermaßen. Sie erweitert die statische Fotografie durch Videoprojektionen und lässt eine mediale Mischform zwischen stillem und bewegtem Bild, zwischen fotografischem und filmischem Medium entstehen.

So wird etwa in La Journée auf ein großformatiges Foto der Hofarkaden in München präzise ein Video von zwei menschlichen Schatten projiziert. Die Veränderung der Schattenform scheint nicht nur durch den Tagesverlauf, die unterschiedlichen Lichtverhältnisse im Innen- und Außenraum der Arkaden, sondern paradoxerweise auch durch die architektonischen Gegebenheiten beeinflusst, die zwar real vor Ort, nicht aber auf dem fotografischen Abbild bestehen können. Es entsteht ein unheimliches, surreal anmutendes Szenario, das an die Pittura Metafisica des Giorgio de Chirico erinnert. Die verstörende Irritation fußt auch darauf, dass die Schatten durch das Licht des Beamers erzeugt werden und die Schatten der Personen sich auf keinerlei innerbildlichen Referenten beziehen. So schiebt sich aus dem Nichts der Schatten eines Fotografen in die Arkaden, der scheinbar eine unmittelbar danach auftauchende Figur fotografiert. Langsam wandern beide Schatten aus dem Arkadeninnenraum in den Außenraum, um dann am unteren Bildrand zu verschwinden. Selbst wenn in anderen Videoinstallationen von Liddy Scheffknecht die Personen, die scheinbar den Schatten werfen, in der Fotografie zu sehen sind – wie das Skifahrerpärchen in point – so entwickeln sich die Schatten mehr oder weniger unabhängig von ihrem Primärobjekt, gehen über den Bildrand hinaus, verändern und verzerren sich und lassen keinerlei kohärente visuelle Rückschlüsse mehr zu.

Das komplexe Verhältnis von Bewegung und Stillstand, von Objekten und ihren Schatten wird auch in Liddy Scheffknechts fotografischen Sequenzen thematisiert und ins Absurde extrapoliert. In ihren Fotostudien greift sie auf das schon bekannte Stilmittel der Bildserie zurück, die über eine Abfolge von Bildern zeitliche Veränderung und Bewegung suggeriert. Scheffknecht lichtet alltägliche Objekte und deren vermeintlich zugehörige Schatten ab, wobei stets nur an einem Foto innerhalb der Serie eine stimmige Illusion entsteht. Auch hier wird der Betrachter in Scheffknechts absurd konstruierte Bilderwelten entführt. In Anlehnung an den bekannten Schildbürgerstreich, bei dem die Bürger nach Erbauung eines fensterlosen Rathauses vergeblich versuchen das Sonnenlicht mit Kübeln in das Innere des Gebäudes zu transportieren, zeigt Scheffknecht in ihrer Fotoserie spot einen an immer gleichen Stelle liegenden Eimer. Sein scheinbar flüssiger Inhalt wandert als Lichtfleck durch den Raum und selbst auf dem Foto, auf dem sich die Illusion von Lichtschatten und Objekt am kongruentesten präsentiert, stellt sich die Frage einer tatsächlichen Zuordenbarkeit.

In der Fotoserie Ceci n’est pas une plante, eine gedankliche Hommage an Rene Magrittes Ceci n’est pas une pipe, dreht die Künstlerin das Gedankenspiel um Realität und Illusion und die Trennung von Signifikant und Signifikat insofern weiter, als sie nicht die Pflanze selbst, sondern nur das mit Nadeln sichtbar an die Wand fixierte Bild einer Pflanze und deren sich zu verselbständigen scheinenden Schatten in Szene setzt. Entscheidend sind in der künstlerischen Methodologie Liddy Scheffknechts Faktoren wie Langsamkeit, Kontrollverlust und poetische Illusion. Die Schatten werden nicht digital manipuliert, sondern in einem langwierigen analogen Prozess konstruiert, der außerhalb der Kontrolle und des Einflussbereichs der Künstlerin liegt und von Sonnenstand, Jahreszeit und Wetterlage abhängig ist. Ihre Wahrnehmungsstudien machen etwas sichtbar, was sich außerhalb des Bilderrahmens befindet, sie wirken wie Ausschnitte aus der Werkstatt der Natur und künstlich manipuliert zugleich, indem Schatten und Zeit als bildnerische Konstruktionsmaterialen verwendet werden.

Die Skiographie, die Schattenmalerei, wird in jenen ebenso betitelten fotografischen Einzelbildern Liddy Scheffknechts weiter geführt, in denen das Sonnenlicht durch auf Fensterscheiben geklebte farbige Folien fällt und ein buntes, abstraktes Abbild auf ein am Boden ausgebreitetes Papier wirft. Ein Foto fixiert den flüchtigen Augenblick, der sich so nur einmal am Tag unter einer bestimmten Sonneneinstrahlung bietet. Jeder an den Falten des Papiers gebrochener Farbschatten zeichnet sich so im Bild ab, dass nicht mehr ablesbar ist, ob sich die Falten im ursprünglichen illusionistischen Bild oder im fotografischen Abbild befinden. Es entstehen verschwommene Farbwolken, deren anziehende Tiefenräumlichkeit fast an die transzendentalen Farbfeldmalereien Mark Rothkos erinnern und deren ephemere Wirkung sich immer mehr entfaltet, je näher der Betrachter an das Bild herantritt. Fast scheint die außerbildliche Bewegung des Rezipienten eine innerbildliche in Gang zu setzen, indem die vertikalen Linien wie Farbschleier aus dem Foto herauszuwehen scheinen, um sogleich wieder in dieses zu verschwinden. Das flüchtige Bild entsteht im Auge des Betrachters, in der Dauer der Anschauung, möchte man das Bild mit den Worten des altgriechischen Lyrikers Pindar zum Sprechen bringen: „Eines Schatten Traums sind Menschen.“

 

Text:  Fiona Liewehr