Ketty La Rocca --

01.jpg
1
02.jpg
2
03.jpg
3
04.jpg
4
05.jpg
5
06.jpg
6
Ketty La Rocca
15/03/2002 - 11/05/2002

Ketty La Rocca gehört zu den bedeutendsten VertreterInnen der konzeptuellen Kunst in Italien. Die Arbeit der früh verstorbenen Künstlerin umfasst die visuelle Poesie, die bildende Kunst und die Performance. Die poetische, experimentelle, medienkritische Untersuchung von La Rocca gilt der Sprache, den Bildern und stereotypen Zeichen der Alltagswelt mit dem Ziel, die herrschende Politik der Körper sichtbar zu machen. […]

In den 1970er Jahren entwickelte La Rocca ihre performativen Serien mit Händen. Sie untersucht deren Ausdruckssprache, um sie zugleich in einen Sprachkontext zu setzen, indem sie die Hände mit Wörtern beschriftet und deren Konturen handschriftlich umrandet. Die Beschäftigung mit den Händen entspringt dem Wunsch, eine andere Sprache der Kommunikation zu erschaffen, in der der reale Körper, der gestische Ausdruck und die Schrift in ein eigentümlich montiertes Verhältnis zueinander treten. La Rocca nimmt im Zusammenhang mit diesen Arbeiten explizit Bezug auf den weiblichen Lebenszusammenhang, der den Händen der Frauen nur bestimmte Tätigkeiten zugewiesen hatte. Für die Frauen sei heute keine Zeit der Erklärungen, schreibt sie 1974 aus ihrer feministischen Perspektive, die hätten zu viel zu tun und überdies nur eine Sprache zur Verfügung, die ihnen fremd und feindlich sei. Sie seien von allem beraubt, bis auf die Sachen, die niemand beachte, und das seien viele, auch wenn sie geordnet werden müssten: „Die Hände zum Beispiel, zu langsam für weibliche Fähigkeiten, zu arm und zu unfähig, um das Hamstern fortzusetzen; es ist besser, mit Worten zu sticken …“ (1)

Zu Ketty La Roccas letzten Arbeiten gehören die Riduzioni, in denen sie das alltägliche Foto umarbeitet, sei es ein Familienfoto, eine Installationsansicht einer Galerie, ein Foto, das sie selbst zeigt oder einen Politiker, ein Zeitungsfoto, eine millionenfach verkaufte Kunstpostkarte oder ein Filmplakat. Das Prinzip der Riduzioni besteht darin, das Ausgangsfoto durch eine oder mehrere Variationen seriell zu erweitern. Dies geschieht durch die grafische Schematisierung des Bildes, die nach verschiedenen Mustern erfolgt: Entweder „zeichnet“ die Künstlerin mit ihrer Handschrift die Konturen jener Formen nach, die ihr wichtig erscheinen, oder sie arbeitet durch Linien und schwarz markierte Flächen bestimmte Elemente heraus, die dann ebenso wie die Schrift eine inhaltliche Umdeutung bewirken.

La Rocca negiert die Differenz zwischen Tiefe und Fläche ebenso wie die Hierarchie eines szenischen Ablaufs und versetzt das Bild in einen nervösen Schwebezustand. In den von ihr geschaffenen Zwischenräumen, in den Leerstellen öffnet sie einen poetischen Raum, der auch auf das Alltagsbild übergreift.

(1) Ketty La Rocca (1974); deutsche Übersetzung aus: Katalog Künstlerinnen international. 1877–1977, Schloss Charlottenburg, Berlin 1977, S. 308

Silvia Eiblmayr, “Ketty la Rocca – Künstlerin einer visuellen Poesie,” in: ed. Silvia Eiblmayr, Ketty La Rocca, Innsbruck 2003, o.S.