Waters and Watercolours --

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Ausstellungsansicht, Berta Fischer, 2005

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Ausstellungsansicht, Peter Zimmermann, Berta Fischer, 2005

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Ausstellungsansicht, Martin Dammann, 2005

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Ausstellungsansicht, Herwig Kempinger, 2005

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Ausstellungsansicht, John Waters, 2005

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Ausstellungsansicht, John Waters, 2005

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Ausstellungsansicht, Amélia Toledo, 2005

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Ausstellungsansicht, Martin Dammann, Berta Fischer, 2005

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Ausstellungsansicht, Martin Dammann, Berta Fischer, Herwig Kempinger, 2005

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Ausstellungsansicht, Chris Johanson, 2005

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Ausstellungsansicht, Chris Johanson, Peter Zimmermann, 2007

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Ausstellungsansicht, Berta Fischer, Herwig Kempinger, 2005

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Ausstellungsansicht, Martin Dammann, 2005

Waters and Watercolours
20/01/2005 - 26/02/2005

Martin Dammann, Berta Fischer, Chris Johanson, Herwig Kempinger, Amélia Toledo, John Waters, Peter Zimmermann

„Meine Fotos sind kleine Filme, wie Storyboards narrativ. Es ist so etwas wie im Schneideraum. Du nimmst gefundenes Material und machst daraus etwas anderes.“ (John Waters)

In den 90er Jahren begann John Waters – eigentlich als „ Trash Auteur“ des Undergroundfilms gefeiert – leidenschaftlich zu fotografieren. Mit einer Art „high concept“ im Hinterkopf sucht und sichert er sich Rohmaterial aus Videobändern und eigenen Filmmetern, welches er durch Editieren und Zusammenschneiden zu neuen kleinen Fotofilmen komponiert. Statt der scharfen Aufnahmen eines 35mm Films zeigt Waters Reproduktionen, die schon 2x durch fotografische Übersetzung vermindert wurden. Sie sind unscharf, körnig und verpixelt. Sie geben vor die Handlung eines Filmes zu erzählen, aber irgendwo im Prozess der Reproduktion und des Zusammenstellens verschiebt oder auch verliert sich der narrative Faden. Im Suchen und Nachspüren von Inhalten häufen sich schnell mögliche Bedeutungen, die dem Betrachter erlauben, inhaltliche Lücken über den eigenen ideosynkratischen, emotionalen und intellektuellen Hintergrund zu füllen.

Waters und Watercolours ist der kaleidoskopische Versuch einer Erzählung über mögliche (Be)deutungen von Wasser und Farbe; sie thematisiert festgefahrene kunsthistorische Kategorisierungen und erweitert diese über formale, narrative und assoziative Beziehungen zu: UNSCHÄRFE, TIEFENWIRKUNG, fließende ÜBERGÄNGE/ÜBERLAGERUNG, BEWEGUNG, FLÜCHTIGKEIT, AUFLÖSUNG. Über die undogmatische, aber auch inkongruente Kombination sieben unterschiedlicher Künstlerpositionen entsteht eine Art „kleiner Film“ (Wasser Farben Geschichte), der individuellen Freiraum für kontextuelles Driften lässt.

Wenn Martin Dammann seine großformatigen Aquarelle als „Rekonstruktionen“ bezeichnet, so formuliert er damit den Versuch mit Farbe eine Art „Topographie der Emotionen“ einer Fotografie darzustellen. Seine Bildvorlagen bezieht er aus einem Londoner Fotoarchiv, das sich auf private Kriegsfotografie spezialisiert hat. Nach Dammann sind Fotos und was daraus entsteht immer nur Mutmaßungen. Weshalb Bilder aufgenommen wurden, lässt sich kaum noch feststellen – dennoch ist es ein Fazit, dass sie einmal eine unmittelbare Sinnhaftigkeit hatten. Ohne eine „Deutungshoheit“ formulieren zu wollen, versucht er mögliche Befindlichkeiten zu dechiffrieren, indem er, die spezifischen Eigenschaften von Wasserfarben nutzend, Details wie Umrisslinien, Gesichter, Gesten, farblich hervorhebt und verändert.

Der Eindruck von Willkürlichkeit ist dabei durchaus beabsichtigt, sollen doch – ähnlich den Fotofilmen von John Waters – die resultierenden Assoziationsräume nur die Fiktion einer möglichen Befindlichkeit rekonstruieren. Wie Martin Dammann greift auch Peter Zimmermann auf ein Archiv von gesammelten Bildmotiven zurück. Gescannte Ausschnitte von eigenen Arbeiten, aber auch gefundenes Bildmaterial aus dem Internet, Fernsehen und anderen Informationsträgern werden gezielt durch einen Modifikationsprozeß am Rechner soweit verändert, dass selbst die entfernte Idee eines Abbildes sich als Imagination erweist. Ausgehend von diesem computergenerierten Bild werden Flächen definiert, die dann schrittweise mit Epoxidharz gegossen werden. Die resultierenden fließenden Formen, die Materialität der Farbe, wenn beispielsweise die Farbpigmente unbeabsichtigte Schlieren hervorbringen, sowie der Eindruck von Tiefenwirkung durch die Überlagerung der einzelnen Farbschichten suggerieren eine visuelle Verwandtschaft zu Wasserfarben.

Nicht nur der beschriebene Transformationsprozeß vom Ursprungsbild zum gemalten Bild ist „fließend“, sondern auch die Möglichkeit der permanenten Veränderbarkeit verweist auf den immanenten „FLOW“ der Bilder. Der wissenschaftlich/theoretische FLOW tangiert Chris Johanson kaum, wenn er seine Gedanken (künstlerischen Intensionen) auf Wasser und Farbe, auf das immanent Fließende und Unfokussierbare richtet. „...the people on earth are becoming more frightenend. They are trying to hide in fantasy, in drugs, in running. We are running around buying things, we are chickens with our heads cut off. (...) Even the water and weather are going crazy now more than ever. Only time will tell if it will subside and mellow out. Who knows, now that the government have upped the ante. Who knows.“ (Chris Johanson) Johansons Beziehung zur Kunstwelt definiert sich durch eine bewusst gewählte Aussenseiterposition und seinen charakteristisch schrägen und scharfsichtig kritischen Blickwinkel auf bestehende Gesellschaftssysteme. Auf einfachen Materialien (Papier und Holztafeln) überzeugt er durch eine Bildsprache die an Graffiti und Comic erinnert. Bewusst dilettantisch, den illusionistischen Raum negierend übersetzt er ambivalente Befindlichkeiten (Ängste, Zwänge, Obsessionen, Isolationen,...) um Bildwelten zu gestalten, die die Aufmerksamkeit auf den “FLOW“ des Alltäglichen lenken.

Dass Wasserfarben sich gedanklich aus der Malerei in die Dreidimensionalität entwickeln können, zeigen die Arbeiten von Berta Fischer und Amélia Toledo. Im Stil der écriture automatique (eine Innovation des Surrealismus) schweben die neonfarbigen Acrylglasskulpturen von Berta Fischer im Raum. Von einer durchsichtigen Aufhängung aus Nylonfäden getragen formt sich eine Art Zeichnung im Raum, deren materialisierten Linien sich trotz der Spröde des Materials im Transparenten verlieren. Es entsteht eine Skulptur, die einen raschen Impuls imaginiert, eine erdachte, flüchtige Bewegung im Raum visualisiert; diese amorphen Gebilde wollen keine narrativen Inhalte transportieren; es sind diskrete Botschaften, die Flüchtigkeit und Auflösung suggerieren und doch die Reichhaltigkeit des Imaginären vermitteln. Über räumliche Verdichtung, deren Reduktion und Auflösung entstehen Assoziationsräume die malerische Poesie (ohne Malerei) entfalten.

Um Assoziationsräume, die von der „Natur des Artifiziellen“ erzählen, geht es Amélia Toledo, wenn sie das kunsthistorisch oft zitierte „Haupt der Medusa“ über die interpretierende Aneignung von natürlichen und künstlichen Substanzen thematisiert. Das Schlangenhaupt, dessen „erschreckender Anblick zur Versteinerung führt“, verdichtet sich zu einem Geflecht aus transparenten Plastikschläuchen, die gefüllt mit einem Gemisch aus Wasser, Öl und Farbpigmenten die visuelle Befindlichkeit von immanenter Bewegung und Lebendigkeit vermitteln. Materialität und Farbe in Raum und Zeit bilden die Grundlagen von Amélia Toledos Werk. Über das Aufsuchen und Zusammenführen der transitorischen Werte, die den Gegenständen die uns umgeben innewohnen, entwickelt sie ihre künstlerische Strategie – narrative Botschaften werden nur über die spezifischen Eigenschaften der einzelnen Substanzen, deren Kombination und Konfrontation transportiert.

„Wäre es möglich, eine Skulptur ohne klare Begrenzungen tatsächlich im Raum zu machen, würde ich es wahrscheinlich tun. Es geht nur technisch noch nicht.“ (Herwig Kempinger) Die Materialität völlig negierend, sind Herwig Kempingers jüngste fotografische Arbeiten die logische Fortsetzung seiner Erkundung von immatriellen und flüchtig werdenden Gegenständen. Als „temporäre Volumina“ bezeichnet er die dreidimensionalen Konstellationen, die einer sich ständig wandelnden, verschwindenden und wieder auftauchenden Form dauerhafte (weil fotografische) Präsenz geben. Was Kempinger in seiner „idealen Skulptur“ andenkt, gelingt ihm mit dem Medium der Fotografie: Der Eindruck von räumlichem Empfinden in der Flüchtigkeit klarer Begrenzungen. „Baustellen sind ebenfalls temporäre Inszenierungen, die eine Betroffenheit auslösen, die den Bauten, die an ihrer Stelle dann Jahrzehnte stehen, nur selten gelingt.“ (Herwig Kempinger) Die Serie der Baustellenaquarelle ist die radikale (visuelle) Negation der Wasserfarbe, des Flüchtigen, des sich ständig wandelnden und auflösenden Raumes. Der fokussierte Blick, die scharfkantigen Linien und extremen Kontraste erzeugen eine ambivalente Atmosphäre die den Aquarellen fotografische Präsenz verleihen; anderseits werden durch die extremen Licht- und Farbverdichtungen die Leerräume zu tragenden Elementen, die auf die Grauzone zwischen Fakt und Fiktion, die temporäre Inszenierung und deren Auflösung verweisen.

Text: Ilse Lafer