Thomas Locher --

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Thomas Locher
21/10/1999 - 04/12/1999

Markus Huemer: In einem deiner Kataloge, Wer sagt was und warum (1), schreibt Peter Weibel, dass deine Arbeit eine Kritik der Vernunft durch die Vernunft selbst sei. […] An sich stehen Mobiliar und Sprache im Zeichen der Vernunft, der Ratio. Erst die Relation, in der die beiden Elemente dann bei dir stehen, scheint nicht rational. Quasi diese Substitution löst Objekt und Sprache gleichermaßen aus ihrer formalen und syntaktischen Identität. Aber nicht so, wie dies beispielsweise in der Konzeptkunst der 60er Jahre war, in der das Prinzip der Denotation ausschlaggebend war, sondern indem Text und Objekt konnotativ zueinander stehen.

Thomas Locher: Es ist schon so, dass meine Arbeit ihre historische Referenz in der klassischen Konzeptkunst der 60er Jahre findet. Aber gleichzeitig stellt sie auch eine Kritik dieser dar. – Gedanklich ist die Konzeptkunst vom Rationalismus angloamerikanischer Philosophie geprägt. Sie geht davon aus, dass es möglich ist, eindeutige Beziehungen zwischen Signifikant und Signifikat herzustellen. Deshalb verwende ich bei den Objekten einen Text, der nicht in einem direkten Bezug zum Ding selbst steht. Der Text soll nicht Definitionscharakter haben. Wenn man den Begriff der Identität zu kritisieren versucht, dann kann man ja nicht einen Text verwenden, der diesem Identitätsprinzip verpflichtet ist. Und außerdem wollte ich nicht nur einen Objektdiskurs führen, sondern auch mithilfe des Gegenstandes ein Subjekt-Subjekt-Verhältnis ausdrücken.

M.H.: Demnach das gleiche künstlerische Funktionsprinzip wie in deinen ganz früh entwickelten „Nummernarbeiten“. Die Zahlen aus einem mathematisch-logischen Referenzsystem stehen ja auch in keiner direkten Beziehung zu den Farbfeldern Rot, Gelb, Blau und so weiter. Sie geben aber dennoch Anlass zur Vermutung, dass diesen eine Nummernkombinatorik zugrunde liegt. Durch die Zuordnung einer einzelnen Zahl zu einer Farbfläche aber wird klar, dass beide in einer Art „Metonymie“ – in Texten würde man „Anmerkungen“ oder „Fußnoten“ sagen – funktionieren.

T.L.: Als formales Mittel habe ich die Anmerkung oder Verzweigung, also die Möglichkeit, formal eine Referenz herzustellen, immer beibehalten. Ob dann im konkreten Fall eine wirkliche Referenz existiert, ist eine andere Frage. Wichtig ist, dass die Anmerkung für mich ein formales Mittel ist, um das Identitätsprinzip zu brechen, beispielsweise einen Begriff auf mehrere Begriffe aufzulösen. Bei den Nummernarbeiten handelt es sich um Zahlen und Farbflächen, also um eindeutige und klare Elemente, wie du sagst: um „logische“ Elemente. Aber in ihrer Kombination äußert sich eine Kritik an dieser Eindeutigkeit, weil ihre eindeutige Zuordnung aufgehoben ist. Darüber hinaus ergibt sich daraus immer noch ein Bild. Es sollte ja ein schlaues Bild sein, das man aber trotzdem noch genießen kann.

(1) Wer sagt was und warum – Vier imaginäre Räume, Kölnischer Kunstverein 1992

Markus Huemer, „Dass die Basis der Grundrechte auf Gewalt aufbaut, ist ein Skandal – Ein Gespräch mit Thomas Locher“, in: Kunst-Bulletin, Dezember 1995, S. 8-11.