This is happening --
Will Benedict, Herbert de Colle, Christian Egger, Michael Gumhold, Sonia Leimer, Stephan Lugbauer, Christian Mayer, Albert Mayr, Yves Mettler, Lucie Stahl, Herwig Turk/Günter Stöger, Nadim Vardag, Richard Zeiss
"Und es ist jedesmal wie ein Wunder, wenn nach einer solchen flach dahinsinkenden Zeit plötzlich ein kleiner Anstieg der Seele kommt (…). Niemand wußte genau, was im Werden war; niemand vermochte zu sagen, ob es eine neue Kunst, ein neuer Mensch, eine neue Moral oder vielleicht eine Umschichtung der Gesellschaft sein solle. (…) Es entwickelten sich Begabungen, die früher erstickt worden waren oder am öffentlichen Leben gar nicht teilgenommen hatten. Sie waren so verschieden wie nur möglich, und die Gegensätze ihrer Ziele waren unübertrefflich. (…) man war gläubig und skeptisch, naturalistisch und preziös, robust und morbid; man träumte von (…) gläsernen Weihern, Edelsteinen, Haschisch, Krankheit, Dämonien, aber auch von Prärien, gewaltigen Horizonten, (…) nackten Kämpfern, Aufständen der Arbeitssklaven, menschlichen Urpaaren und Zertrümmerung der Gesellschaft. (…) würde man jene Zeit zerlegt haben, so würde ein Unsinn herauskommen wie ein eckiger Kreis, der aus hölzernem Eisen bestehen will, aber in Wirklichkeit war alles zu einem schimmernden Sinn verschmolzen." Robert Musil schrieb diese Zeilen in seinem Mann ohne Eigenschaften über die Generation um 1910. (1) Ähnliche Eindrücke gelten für heute. Auch 100 Jahre später zerfallen wieder Imperien, ändert sich die gesellschaftliche Realität schnell, und wieder spürt man diese Erschütterungen auf der ganzen Welt.
This is Happening ist weniger als ein umfassender Überblick über junge österreichische Kunst und mehr als eine zufällige Ansammlung. Oberflächlich gesehen repräsentiert die Ausstellung das gesamte künstlerische Spektrum – Fotografie, Malerei, Bildhauerei und Installationskunst. Doch wie unterschiedlich die Künstler sein mögen, um mit Musils Worten fortzufahren "(…) ging durch das Gewirr von Glauben […] damals etwas hindurch, wie wenn viele Bäume sich in einem Wind beugen, (…) und wenn man damals in die Welt eintrat, fühlte man schon an der ersten Ecke den Hauch des Geistes um die Wangen." Vielleicht ist das, was die Gruppe von Künstler in dieser Generation eint, das Gefühl vom Bankrott der Spektakelkunst. Auch ist klar, dass es Affinität zu vergangenen Kunstepochen gibt, als Künstler in ihrer Kunst unverfälschte, präzise und konkrete Aussagen machten. Man sollte jedoch nicht außer Acht lassen, dass sich die heutige Künstlergeneration auch Musiker, Regisseure, Tänzer und Schriftsteller zum Vorbild nimmt. Die Frage ist, wie die Künstler, das was sie am meisten interessiert, auf vergleichbarer Ebene dem Publikum transportieren könnten.
Der die heutige Kunst beherrschende Paradigmenwechsel verlagert den Fokus von der Produktion von Objekten zur Aufsammlung von Ideen, Gedanken, Bildern, persönlichen Erfahrungen und eigenen Reflexionen, die zu zusammenhängenden Gedankenkonstruktionen geformt werden. Die einzelnen Bestandteile dieser Konstruktionen können dabei selbst gewöhnlich, lächerlich oder 'low' sein. Die Qualität einer Ideenstruktur beruht auf ihrer Ökonomie, Eleganz, ihrem Witz sowie die, in die Konstruktion eingehende strukturelle Intelligenz. Die Frage ist, wie man solche Dinge überhaupt kommuniziert. Das Schaffen von intersubjektiven Brücken ist daher besonders wichtig: Ohne eine Gemeinschaft Gleichgesinnter, die in die Entschlüsselung der Gedankencollagen anderer intellektuelle Arbeit investieren können und wollen, sind kreative Anstrengungen sinnlos, ja sogar unmöglich. Aufgrund des Bewusstseins von der Schrecklichkeit der hermetischen Existenz, gibt es heutzutage sowenig Zweifel an der Wichtigkeit und Dringlichkeit einer kreativen 'Community' – einer Zone, in der man Ideen austauschen kann.
"Wenn man nicht will, braucht man also diese (…) 'Bewegung' nicht zu überschätzen," meinte Musil, "Sie vollzog sich ohnehin nur in jener dünnen, unbeständigen Menschenschicht der Intellektuellen, die von den heute Gott sei Dank wieder obenauf gekommenen Menschen mit unzerreißbarer Weltanschauung, trotz aller Unterschiede dieser Weltanschauung, einmütig verachtet wird, und wirkte nicht in die Menge. Aber immerhin, wenn es auch kein geschichtliches Ereignis geworden ist, ein Ereignislein war es doch (…)."
Kuratoren | Text: Martin Guttmann und Fiona Liewehr
(1) Robert, Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, Band 1, Rowohlt, Reinbek 1978, S. 55.