Re-Production 2 -- curated by Thomas Locher

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Ausstellungsansicht, Peter Kogler, Sherrie Levine, John Baldessari, 2003

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Ausstellungsansicht, Rudolf Stingel, Herbert Hinteregger, Elaine Sturtevant, Matt Mullican, 2003

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Ausstellungsansicht, Elaine Sturtevant, Liam Gillick, Stephan Prina, Louise Lawler, Allan McCollum, Matt Mullican, Andy Warhol, 2003

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Ausstellungsansicht, Cerith Wyn Evans, Gerwald Rockenschaub, Peter Zimmermann, 2003

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Ausstellungsansicht, Ecke Bonk, 2003

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o.T., Inés Lombardi, 1996

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o.T., Inés Lombardi, 1996

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o.T., Inés Lombardi, 1996

Re-Production 2
curated by Thomas Locher
30/01/2003 - 29/03/2003

Der Begriff der Reproduktion, abgeleitet von Produktion, ist ein eher junger Begriff in Terminologien der Wissenschaft und Philosophie. Seit Marx ist Reproduktion ein fester Bestandteil ökonomischer Theorie: Reproduktion ist gesellschaftlich notwendig, da ein gesellschaftlicher Produktionsprozess gleichermaßen Reproduktionsprozess ist. In der Analyse der Eigenschaften der industriellen Produkte stellen wir fest: Sie sind gleich, aber nicht identisch. Und: Reproduktion ist nicht nur eine Wiederholung der Produktion, sondern eine reflexive Produktion, eine Produktion aus Produkten. So jedenfalls die Systemtheorie.

Das Verhältnis von Produkt, Produktion, Reproduktion, Ware, Wert und Bedeutung ist ein komplexes Verhältnis. Was das Kunstwerk in diesem Zusammenhang noch von der industriellen Ware unterscheidet: Das Kunstwerk ist als Produkt auf Dauer ausgerichtet, während das industrielle Produkt vergänglich ist, die wesentliche Eigenschaft des industriellen Produkts ist seine Sterblichkeit.

Gegenwärtige Strategien in der Herstellung von Kunstwerken, und das seit Beginn des 20.Jhs., bedienen sich der Techniken industrieller Reproduktionsverfahren: Auf einer pragmatischen Ebene werden gegebene Bilder und Texte reproduktiv verwendet. Meist werden sie photomechanisch reproduziert und/oder in digitalen Speicherverfahren verändert.

Seit Duchamps Ready-made ist die Verwendung existenten Materials allgemeines Paradigma. Was aber nicht heißt, dass alles, was an verfügbarem Material existiert, im Sinne von Bedeutung reproduktionsfähig ist. Alles ist verfügbar, aber nicht alles gleichwertig. Aus dem Bereich der profanen Warenobjekte und der profanen Bilder der Massenmedien muss also sorgfältig ausgesucht werden. Interessant ist: Den Objekten oder den Abbildungen, die ausgesucht sind reproduziert zu werden oder in einen anderen Kontext gestellt werden, wird ein verborgener unbewusster Wert unterstellt. Dieser Wert wird in den anderen kulturellen Kontext (z.B.: Museum) hinübergerettet und schreibt dem Künstler wiederum die besondere Kompetenz zu, genau dieses Unbewusste erkannt zu haben. Dass diese fiktionale Konstruktion so erfolgreich ist, liegt an der Tatsache, dass das Warenobjekt schon den Zustand eines natürlichen Objekts erreicht hat und wir theoretisch die exakte Grenzziehung zwischen Natur und Ding, zwischen Bild und Inhalt nicht mehr vornehmen können. In der Theorie der Kommunikation ist das Verhältnis von Botschaft zu ihrer Reproduzierbarkeit deshalb ein Schema,   weil  bei der Sendung von Botschaften das Unvorhergesehene vermieden werden muss, soll die Botschaft verstanden werden. Etwas als etwas Neues zu senden setzt eine Veränderung des Codes voraus. Das ist in zweifacher Hinsicht kompliziert: Entweder kommt die Botschaft beim Empfänger nicht an oder das Verstehen der Botschaft dauert sehr lange. Ein gutes Beispiel ist auch hier Duchamp. Die Rezeption von Botschaften kann sich verzögern, aber diese Verzögerung sollte nicht allzu lange anhalten. Denn in der gegenwärtigen Ökonomie muss die Ware unmittelbar als Ware erkannt werden. Alles andere wäre unproduktiv. Eine andere Lösung wäre, in einer quasi revolutionären Situation den Code gewaltsam und schlagartig zu ändern. Auch das ist kompliziert, deshalb verzichtet der Sender auf ungewöhnliche Botschaften und sendet das Bekannte. Fazit: Der Empfänger muss also prinzipiell alle möglichen Botschaften kennen. Reproduktionstechnologien sind nicht nur fester Bestandteil künstlerischer Produktion, möglicherweise gibt es gar keine Kunstproduktion außerhalb des technisch festgelegten Rahmens. Künstlerische Produktion, die ihrem eigenen Verständnis nach nicht reproduktiv sein will, ist also vom Reproduktiven bereits kontaminiert. Im Übrigen ist das Reproduziertwerden des Artefakts notwendiger Beweis seiner Existenz: Wenn das Kunstwerk in den Beobachtungsmedien nicht als Reproduktion existiert, existiert es überhaupt nicht. Die Vermutung, dass das Artefakt durch seine Reproduktion seinen singularen Wert verliert, ist umgekehrt worden: Erst die massenhafte mediale Reproduktion garantiert dem Kunstwerk seinen Platz in den Archiven und Lagern des kulturellen Gedächtnisses (Boris Groys) und legitimiert sein Dasein.

Und: Es ist die eindeutige Plazierung in diesen Archiven, die die Frage nach Wert, Bedeutung und Überleben erst ermöglicht. Die ideologische Umwertung der Objekte zu Artefakten, von profaner Bildlichkeit zu erhabenen Visualität, all die Prozesse der Aneignung, Appropriation, Dekonstruktion bereits an anderen Orten archivierten Materials sind Vorgänge, die theoretisch und kritisch nur partiell reflektiert worden sind. Eine endgültige Theorie der Produktion/Reproduktion steht noch aus. Sie kann und wird auch hier nicht geleistet werden.

Im Grunde ist gegenwärtige Kunstproduktion der Transfer von Objekten zwischen verschiedenen Aufbewahrungsorten: von einem kulturellen Kontext in den anderen, von einem Lager ins nächste Lager. Hin und her, auf und ab.

Thomas Locher