Prints & Multiples --
Richard Artschwager, Otto Muehl, Bruce Naumann, Gerhard Richter
Kunst und Alltag, Kunst und Kommerz, Kunst und Politik: in den 60er Jahren haben Pop Art und Aktionismus mit der Thematisierung von Kunst und ihrer Beziehung zur Öffentlichkeit ein neues Zeitalter der künstlerischen Produktion eingeläutet. Daraus folgte die Anerkennung von Vervielfältigungen und der Druckgrafik, die in einer gewissen Auflage reproduzierbar sind und als schnell zu verbreitendes Medium ein geeignetes Werkzeug zur Verbreitung von politischen und sozialen Aspekten bildet.
Multiples sind von vornherein auf Vervielfältigung angelegt und bestehen aus einer bestimmten Anzahl von seriell hergestellten Objekten, die ökonomisch, materiell und ästhetisch gleichwertig sind. Es handelt sich um „Originale in Serie“. Die Objekte sind nicht einem Original nachgebaut sondern selbst original und vom Künstler als Multiple autorisiert.
Mit rund 40 Werken stellt Georg Kargl Fine Arts eine Schau zusammen, die vier unterschiedliche Positionen zu Prints und Multiples präsentiert. Richard Artschwagers Kunst ist Wahrnehmung und Darstellung unseres Sehens. Nicht der Gegenstand selbst, sondern dessen Deutung und Nutzung in unterschiedlichen Kontexten interessieren den Künstler, der die innerhalb der Gesellschaft liegenden Vereinbarungen und tradierten Codes unserer Wahrnehmung in Frage stellt.
Die Kategorien von Alltagsmöbel und Skulptur, Abbild und Idee sind aufgehoben. Ganz im Geiste Duchamps, dessen Ready-mades als Vorläufer der Multiples gelten, dienen die Möbel und Objekte Artschwagers sowohl der Analyse des Gegenstandes und seiner Bedeutung, als auch der sie umgebenden Realität, so z.B. Chair/Chair aus 1987-90, in der Artschwager einen wirklichen Stuhl mit der Idee eines Stuhls vermengt. Mit Werken wie z.B. den Locations (Brooke Alexander no.1), (1969) untersucht der Künstler das Verhältnis von Objekt, Subjekt und Darstellung.
Otto Muehl
Die internen Abgrenzungen von Kunst und Politik, Avantgarde und Pop werden in den 60er Jahren bewusst destruiert und durch den allgemeinen Begriff der „kulturellen Revolution“ abgelöst. Wiener Aktionismus, Fluxus, experimentelle Literatur, Avantgardefilm und Popkultur finden durch die Expansion der künstlerischen Medien und Schauplätze ein gemeinsames Agitationsterrain.
Neben politischen Kontrahenten innerhalb des herkömmlichen Rechts-Links-Spektrums sind es in Otto Muehls Serie Persönlichkeiten aus 1967/68 Porträts der Macht, die in holzschnittartigen Konturen und bunten Waschmittelpackungsfarben der Verhöhnung preisgegeben werden. Er greift bewusst die Technik der Pop Art auf und gibt ihnen zusätzlich durch die Überspitzung eine verachtende Verwertungslogik. Die Persönlichkeiten gelten als parallele Entwickelung zu Muehls ZOCK-Programm, in dem der Künstler eine skurrile und karikaturistische Attacke gegen die herausragenden Figuren einer Gesellschaft führt.
Bruce Nauman ist einer jener Künstler, die Ende der 60er Jahre über die reale Körper-Erfahrung der Kunst die Seh- und Empfindungsgewohnheiten revolutioniert haben. Das enorme Spektrum an Medien spiegelt die Themenvielfalt des Künstlers wider, der durch den erweiterten Umgang mit dem eigenen Körper und der Kreation eines neuen Skulpturbegriffs seine vielseitige und provokante Arbeitsweise entwickelte.
Naumans Methode, Verhaltensformen zu Gestalt und damit zu Kunst zu transformieren, funktioniert in seinem existentiellen Theater und in den Videos über den inszenierten Charakter alltäglicher Tätigkeiten, wie dem einfachen Auf- und Abgehen. In seinem Video Violent Incident von 1986 zeigt Naumann Abwandlungen gewalttätiger Handlungen, indem er die Rollen von Mann und Frau vertauscht, zwei Männer oder zwei Frauen agieren lässt, sie in Zeitlupentempo zeigt, das Farbschema ändert. Er gelangt dadurch zu einem beinahe ritualisierten, formalisierten Handlungsmuster, das nach und nach auseinander genommen und analysiert wird. In den Radierungen der Hand-Paare aus 1994 untersuchte der Künstler zweckfreie Berührungsmöglichkeiten, deren unendliche Vielfalt er in den zeitgleich entstandenen Hand-Paar-Bronzen verdeutlichte.
Gerhard Richters unterschiedliche Bildkonzeptionen werden im Schattenbild II (1968) und Blattecke (1967) verdeutlicht. Beide Werke sind Ausdruck von Richters großem und einzigem Thema, die Malerei selbst immer wieder auf alle nur denkbaren Möglichkeiten zu erproben. Übersicht (1998) zeigt eine Auswahl an bedeutenden Künstlern, Dichtern, Philosophen, Musikern und Architekten, die in tabellarischer Form chronologisch aufgelistet sind, ohne dass damit eine subjektive Wertung einherginge. Im Werkverzeichnis von 1969 wird die Kunst selbst zu ihrem Gegenstand. Obwohl keinerlei subjektive Interpretation möglich ist und das Ästhetische in jeder Hinsicht entmystifiziert wird, macht sich das Künstlersubjekt durch den Inhalt der Grafik doch wieder überdeutlich präsent.