Nadim Vardag -- Alte Muster
Nadim Vardag, Ausstellungsansicht, Foto: Nadim Vardag, courtesy der Künstler und Georg Kargl Fine Arts, Wien
Nadim Vardag, Ausstellungsansicht, Foto: Nadim Vardag, courtesy der Künstler und Georg Kargl Fine Arts, Wien
Untitled, 2018, Kaltnadelradierung auf Büttenpapier, 55 x 44 cm, Foto: Nadim Vardag, courtesy der Künstler und Georg Kargl Fine Arts, Wien
Alte Muster von Nadim Vardag in der Georg Kargl Box ist eine Ausstellung par excellence. Oder, ganz banal, eine Ausstellung ‚neuer Arbeiten’, in dem Fall Bilder, die gerahmt an der Wand präsentiert werden. Aus technischer Sicht betrachtet, wären diese Arbeiten als Druckgrafik einzuordnen, schlagen im Werk des Künstlers aber tatsächlich auch thematisch eine neue Seite auf. Die vergleichsweise kleinformatigen und in kleiner Auflage ausgeführten Grafiken konzentrieren sich ikonographisch auf die Motive ‚Knoten’ oder ‚Gewebe’, die eher variierend und fallweise seriell umgesetzt werden. Unter dem Titel Alte Muster ist erstmals eine kleine Auswahl, sprich: drei Kaltnadelradierungen zu sehen. Die konzentrierte Präsentation reagiert auch auf die sehr besonderen Bedingungen, die die künstlerarchitektonische Gestaltung der Georg Kargl Box durch Richard Artschwager (1923-2013) vorgibt. Ihrerseits architektonischer Raum, inszeniertes Display und künstlerisches Werk, steht die Georg Kargl Box mittlerweile monumental für eine – in Wien seit den 1980er Jahren besonders ausgeprägte – Tradition der künstlerischen Auseinandersetzung mit Ausstellbarkeit, Kontext und Display.
Die Geschichte der künstlerischen Beanspruchung des Formats ‚Ausstellung’ reicht so weit wie die Geschichte der modernen Kunst selbst. Kein Wunder, ist die Ausstellung doch untrennbar mit der Kunst verbunden, welche durch diesen „Apparat” (Jean-Louis Déotte) überhaupt erst hervorgebracht wird. Es wäre keine Übertreibung ‚Ausstellung’ als das aktuell dominante kunstspezifische ‚Medium’ zu bezeichnen – auch auf die Gefahr hin, dass der diskursiv lange überstrapazierte Begriff ‚Medium’ und seine modernistische Vergangenheit nicht mehr so recht dazu passen mag, wie aktuell über Kunst gesprochen – wenngleich nicht unbedingt, wie sie gemacht wird. Ließen sich noch in den 1990er Jahren mit der Problematisierung des Konzepts ‚Medium’ ganze Werke und Karrieren in Praxis und Theorie gleichermaßen etablieren: sozusagen im Windschatten der Broodthaers’/Krauss’schen Nordseekreuzfahrt, sind diese Zeiten unwiderruflich vorbei. Was einst nach Medien aber auch nach Gattungen oder Genres sortiert war, ist, zur Praxis oder zum Verfahren transformiert, derart in der ‚entgrenzten‘ post-medium condition angekommen, dass die Rede von kunstspezifischen Medien keinen rechten Sinn mehr macht.
Vielleicht wurde mit der verbindlich gewordenen post-medium condition aber einfach nur das falsche Problem erledigt. Interessant ist ja nicht, wie viel Kunst, frei nach Greenberg, immer schon in einem spezifischen Medium ‚drin‘ ist und künstlerisch freigesetzt werden muss, sondern wie sich Medien überhaupt in so einer spezifischen Weise einsetzen lassen, dass dabei etwas Künstlerisches herumkommt.
Warum nun die aktuelle Popularität der Ausstellung als künstlerisches Medium? Als zugleich syntaktisches Format und Apparat, der seit jeher die Kunst hervorbringt, ist die Ausstellung der geeignete Rahmen für künstlerische Verfahren, die dem traditionellen Medienbegriff, an sich zu Recht, zu misstrauen gelernt haben. Aufgerüstet durch Verfahren der site specificity und institutional critique zeugt die künstlerische Beanspruchung der Ausstellung vom Versuch, besagten Apparat unter Kontrolle zu bringen. Das unterschlägt jedoch vollends – und in bester modernistischer Tradition – die gesellschaftlichen Aspekte bzw. die für die Selbstbestimmtheit der Kunst konstitutiven institutionellen und kommerziellen Bedingungen. Diese bringen als Spannungsfeld den Apparat Ausstellung überhaupt erst in Gang.
Mit Blick darauf ist Alte Muster trotz des augenscheinlich traditionalistischen Auftretens der Präsentation das ziemlich genaue Gegenteil zu der regressiven Dynamik, die derzeit jenseits des Kunstfelds etwa gesellschaftliche und politische Debatten beherrscht, zunehmend aber auf den Möglichkeitsraum der Kunst zurückwirkt. Statt von der Kunst und ihrer Pflicht gewordenen Selbstbestimmung sozusagen ‚gedeckt’ mit trotzigem Progressivismus zu reagieren, verweist die Ausstellung schlicht zurück an ihre Ausgangsbedingungen: Es geht um drei, spezifisch in ihrer jeweiligen Art in Motiv, Technik und Ausführung entschiedene Bilder, die sich mit dem Anspruch Kunstwerke zu sein der Diskussion stellen – und davon unabhängig sind, was sie sind. Ohne dieser Diskussion vorzugreifen, die an den Bildern selbst, ihrer Ausstellung auszutragen ist, oder diese gar erklären zu wollen, reicht vielleicht der Hinweis aus, wie schwierig mancher Knoten geknüpft ist. So naheliegend es wäre, es sich leicht zu machen, ist es selten sinnvoll, Knoten entweder einfach zu zerhauen oder sie noch fester zu ziehen.
Text: Hans-Jürgen Hafner