Michael Gumhold -- [: Rehearsal : Room #20 :]

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Michael Gumhold
[: Rehearsal : Room #20 :]
23/03/2012 - 28/04/2012

Hang over! Der Gig ist vorbei! Abgefeiert! Im Rehearsal Room die Überreste einer exzessiven Nacht. Kronkorken überall in den Klangkörpern und um sie herum, verstreut auf der improvisierten Bühne. Ein Bühnenelement ragt vom Balkon parallel zur Wand in den Raum. Eine Salatgurke, eingespannt in einer Mikrofonspinne, ihr tropfender Saft fängt sich in einem umgekehrten Chrashbecken. Die Intensität einer scheinbar vorangegangenen Ausschweifung ist spürbar, in ihrem Nachhall die Erinnerung an körperlich erlebte Zügellosigkeit und Exzessivität.
Auch in [: Rehearsal : Room #20 :], seiner zweiten Einzelausstellung bei Georg Kargl, diesmal in der BOX, referenziert Michael Gumhold auf die affektive Unmittelbarkeit und perfomative Kraft von Musik und wieder auf die einer härteren Rockrichtung. Wie in seinen anderen Rehearsal : Room-Installationen werden Versatzstücke in ihren Funktionen und Bedeutungsaspekten verschoben, leere Behältnisse, Heizköper oder Töpfe werden zu Klangkörpern, Zugfedern als Verspannungen in bildhaften Objekten verweisen auf Schwingungen von Schall und Vibration, Kronkorken ersetzen den Schellenkranz eines Tambourins und Aufnahmegeräte werden zu Klang erzeugenden Geräten. Aus ihren ursprünglichen Funktionszusammenhängen gelöst finden Instrumente ihre Existenz als Skulpturen im Zeichensystem Kunst. Spielerisch, aber präzise in der Konnotation ihrer inhaltlichen und formalen Bedeutungsebenen setzt Michael Gumhold diese Versatzstücke immer wieder unterschiedlich ein und löst damit eine unendliche Vielzahl von
Assoziationsketten aus, die in den Köpfen ihre je eigene Resonanz finden. Seine Installationen sind eine fortlaufende Serie von Arrangements und Rearrangements, die ähnlich wie in der Musik durch die jeweils andere Art und Prägung unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Die Musik selbst bleibt in den Rehearsal : Room-Installationen immer stumm, doch ihr emotionales Potential zeigt sich mit all ihrer Intensität im Setting der Ausstellung.
Doch zeigen sich Hinweise auf Brüche in der Hinwendung zum Exzess, auf die Gumhold auch in einem seiner Text-Bildobjekte mehrdeutig verweist. Das gebundene Lexem -phonie lässt sich im Englischen als etwas Künstliches entlarven. Munter tanzen die Buchstaben Microphonies von Zugfedern gehalten im Rahmen und stellen selbst die Frage nach ihrer Authentizität.
Mit der Arbeit Untitled (equipment, hands, instuments), 2011-12 weitet Michael Gumhold sein Referenzsystem zeitlich und stilistisch aus. Auf einer Reihe von Plattencover blendet er mit mattschwarzer Farbe alles aus, was sie für die Bewerbung unvergleichbar und herausragend macht. Hintergründe, Stimmungsbilder, Titel, Namen, ja die Interpreten selbst verschwinden im Dunkel. Lediglich die Instrumente, Mikrophone und die Hände, die auf ihnen spielen oder sie halten, spart er aus. Betrachtet man diese Aussparungen ist sofort klar, dass es sich nicht um aktuelle Cover handelt. Farbigkeit, Art und Weise der Darstellung und natürlich die Tatsache, dass es sich um analoge Instrumente handelt, sind eindeutige Indizien. Gumhold lenkt den Blick auf das, was notwendig ist, um Klang zu erzeugen, Resonanzkörper und Hände. Das Ergebnis, konserviert auf Tonträgern, ist das, was vom Ereignis bleibt. Die lautlosen Performances auf den Hüllen evozieren ein stilles Orchester, eine imaginäre Eu- oder Kakophonie.
Im Arrangement von [: Rehearsal : Room #20 :] schleicht sich ein Gefühl von Morbidität ein. Die Frage nach der Leere, die nach dem Exzess bleibt. Lässt sich die Euphorie in der Konserve aufrecht erhalten? Dumpf schlägt die gehörnte Fußmaschine gegen die Wand. Ohne Resonanzkörper – keine Vibrationen.

Text: Linda Klösel