Mark Dion -- The Tar Museum

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Mark Dion
The Tar Museum
10/11/2006 - 13/01/2007

Die Beschäftigung mit der Natur und ihrer Repräsentation, die er als kulturelle Konstruktion kritisch analysiert, steht im Zentrum des Interesses des 1961 in den USA geborenen Künstlers Mark Dion. Fasziniert von unterschiedlichen Vorstellungen von Natur, knüpft Dion formal und thematisch häufig an jene historische Phase im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert an, in der die subjektive Ordnung der Wunderkammern durch die heute übliche wissenschaftliche Ausrichtung des Museums abgelöst wurde. Bei der Realisierung seiner Werke bedient sich Dion Methoden und Verfahren aus der Wissenschaft und Archäologie: er sammelt, archiviert, ordnet und vergleicht. Jedoch bei aller augenscheinlichen Nähe zum wissenschaftlichen Diskurs sind Mark Dions Installationen und Ensembles von Fundstücken und Präparaten, gerade eines nicht: naturhistorische Sammlung, sondern sie sind Reflexionen über Ordnungs- und Sammlungssysteme. Im Kern fragt der Künstler immer danach, wie wir überhaupt eine Idee von Natur entwerfen. Seiner Auffassung nach sagen taxonomische Ordnungen, mit denen wir uns natürliche Prozesse erklärbar machen, eher etwas über gesellschaftliche und politische Ideologien aus als über die Natur selbst. Sein eigentliches Anliegen ist somit weniger ein wissenschaftliches, sondern ein ökologisch-politisches.

Durch das Sammeln, Archivieren und Ordnen als naturwissenschaftliche Methoden, werden Artefakte und Naturalien in neue kontextuelle Zusammenhänge transferiert, wodurch sie einerseits ihre Funktion im Zusammenhang ihres ursprünglichen Vorkommens verlieren andererseits frei für kritische Reflexionen werden.

The Tar Museum, die aktuelle Ausstellung in der Galerie Georg Kargl, führt das Vokabular der beiden vorangegangenen Präsentationen in der Galerie Metropol, 1994 und in der Galerie Georg Kargl, 2001 konsequent fort. Im zentralen Ausstellungsraum – der glasüberdachte Innenhof – der Galerie werden geteerte Großvögel, wie Gänse und Flamingos, auf ihren jeweiligen Transportkisten ausgestellt. Teer ist ein aus organischen Verbindungen bestehendes bräunlich bis schwarzes, zähflüssiges Gemisch, das durch zersetzende thermische Behandlung organischer Naturstoffe, wie Erdöl gewonnen wird. Für Mark Dion steht dieses Material, das, obwohl organischen Ursprungs, bis hin zu Keimen alles tötet und zerstört, als absoluter Gegensatz zum Nährstoff Fett, als Energielieferant für Mensch und Tier. Teer ist für ihn ein Symbol für den Funktionswandel von Stoffen die für profitorientierte industrielle Prozesse verwendet und biotechnologisch verändert werden.

Dieser Teil der Ausstellung verweist auf die zerstörerische und gewaltsame Seite von Naturaneignung: „Es sind nicht nur ausgestopfte Tiere, sondern sie sind (...) mit Teer bedeckt. So ist das Zeichen der Gewalt sehr konkret, an das sie (die Besucher) gar nicht denken würden, wenn sie die Tiere in einer natürlichen Position sehen würden.“(1) Eine Form der Naturbetrachtung, die in ihrer Konsequenz verdeutlicht, dass „what was thought to be observation of life was actually the study of death“.(2)

Immer wieder stellt Mark Dion die Repräsentationsformen besonders von naturhistorischen Museen zur Diskussion. Er versteht diese als Orte, wo wissenschaftliche Erkenntnisse einem breiten Publikum als „Wahrheiten“ von Naturgegebenheiten vorgestellt werden, die jedoch dem Lauf der Natur nicht entsprechen. „To me the museum embodies the ‚official story’ of a particular way of thinking at a particular time for a particular group of people. It is a time capsule.“(3) Die gezeigten Ruins of the Museum betonen diesen Aspekt subjektiver Sammlungspräsentation und somit die Vergänglichkeit ihrer Wahrhaftigkeit. Eine Anhäufung von Naturalien und Artefakten befindet sich in Kabinettschränken, wie wir sie aus den Wunderkammern des 18. Jahrhunderts kennen, nur dass sie bereits Spuren des Verfalls und der Zerstörung aufweisen.

Das mobile Diorama Mobile Wilderness Unit taucht auch im Tar Museum wieder auf – diesmal in Gestalt eines Wolfes in einer Art Schauwagen. Der Wolf war bis zur Entwicklung von Land- und Herdenwirtschaft das am weitesten verbreitete Raubtier der Erde. Er war in ganz Europa und Asien bis nach Nordafrika sowie in Nordamerika beheimatet. In weiten Teilen dieses einst riesigen Verbreitungsgebietes, besonders im westlichen Europa und in Nordamerika, wurde die Art durch menschliche Verfolgung ausgerottet. Hinter dieser Arbeit steckt die Idee, eine Essenz von Wildnis nicht in ein museales abgeschlossenes Umfeld sondern in eine soziale Sphäre hinein – zurück zur Natur transferieren zu können. Das Ergebnis der künstlerischen Reflexionsprozesse von Mark Dion sind raumgreifende, kulissenartig in Szene gesetzte Installationen, die häufig ortspezifische Geschichte und Kultur miteinbeziehen. Mit überraschenden thematischen Verknüpfungen und ironisch-allegorischer Reflexionskraft analysiert Mark Dion – an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst - die politischen, wirtschaftlichen und ästhetischen Kräfte hinter der gesellschaftlichen Repräsentation von Natur. Text: Linda Klösel

(1) Dieter Buchhart, „Meine Werke sind nicht über Natur, sondern über die Idee von Natur“, Interview mit Mark Dion in: Kunstforum 157  (2001), S. 185-197
(2)  Miwon Kwon in Conversation with Mark Dion, in: Dion (1997) d., S. 22.
(3)  Ebd. S. 17.