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Ausstellungsansicht, Björn Kämmerer, 2008

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Ausstellungsansicht, Marijke van Warmerdam, 2008

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Ausstellungsansicht, Nadim Vardag, 2008

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Ausstellungsansicht, Nadim Vardag, 2008

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Ausstellungsansicht, Theo Ligthart, 2008

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Ausstellungsansicht, Theo Ligthart, 2008

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Ausstellungsansicht, Wolfgang Plöger, 2008

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Ausstellungsansicht, Ján Mančuška, Cerith Wyn Evans, Christoph Weber, Andreas Fogarasi, Theo Ligthart, 2008

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Ausstellungsansicht, Cerith Wyn Evans, Christoph Weber, Andreas Fogarasi, Theo Ligthart, 2008

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Ausstellungsansicht, Ján Mančuška, 2008

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Ausstellungsansicht, Ján Mančuška, Christoph Weber, 2008

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Ausstellungsansicht, Christoph Weber, 2008

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Ausstellungsansicht, Cerith Wyn Evans, 2008

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Ausstellungsansicht, Cerith Wyn Evans, Christoph Weber, Andreas Fogarasi, 2008

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Ausstellungsansicht, Cerith Wyn Evans, 2008

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Ausstellungsansicht, Manon de Boer, 2008

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18/01/2008 - 01/03/2008

Manon de Boer, Cerith Wyn Evans, Andreas Fogarasi, Björn Kämmerer, Theo Ligthart, Ján Mancuska, Christian Mayer, Wolfgang Plöger, Nadim Vardag, Marijke van Warmerdam, Christoph Weber

Die Ausstellung [scene missing] versammelt elf jüngere künstlerische Positionen, die eine Analyse von Kino und Film betreiben. Ohne Film im herkömmlichen Sinn zu zeigen oder Kinosituationen zu simulieren, wird die Methodik der narrativen Konstruktion hinterfragt und auf den brüchigen Charakter von Realität und deren filmischen Repräsentation verwiesen. Die Abwesenheit von Kino und Film in der Ausstellung [scene missing] ist Produkt eines kollektiven filmischen Gedächtnisses. Der Rezipient ergänzt durch Rückgriffe auf seine eigenen Erinnerungen auf Kino und Filmgeschichte „the missing scene“. Im Spannungsfeld von Black Box und White Cube wird hier Kino zum Material in den ausgestellten Werken. Im Gegensatz zum Avantgardefilm und Expanded Cinema ist nicht der Bruch mit den Konventionen Motor der künstlerischen Praxis, sondern geradezu ihre Aneignung. Die Konventionen der filmischen Repräsentation werden zum Ausgangsmaterial. Narrative Strukturen, Interesse an der Mechanik des Projektionsapparates, kinematografische Traditionen und Rezeption von Filmen werden einer Dekonstruktion und Recodierung unterzogen. Filmgeschichte wird zum Werkstoff.

Björn Kämmerer, Marijke van Warmerdam, Manon de Boer und Christoph Weber verbindet ein gemeinsames Interesse. Sie bedienen sich einer antiquiert wirkenden Technologie, zwingen Filmprojektoren oder alten Tonbandmaschinen Funktionen auf, für die sie ursprünglich nicht gebaut oder vorgesehen waren. Der mechanische Apparat wird als Fetisch inszeniert. Der deutsche Künstler Björn Kämmerer zeigt in seinem 35mm-Filmloop escalator (2006) einen in Mantel und Krawatte gekleideten Jungen, der scheinbar endlos eine Treppe auf und ab läuft. Die lineare Erzählstruktur und räumliche Orientierung wird durch Schnitt und Spiegelung aufgehoben und erzeugt das beklemmende Gefühl von Unendlichkeit.

Der 16-mm-Filmloop Passage (1992) der niederländischen Künstlerin Marijke van Warmerdam zeigt ein schwarzes kleines Viereck, das langsam aus der Mitte eines weißen Hintergrundes auftaucht und allmählich die gesamte Projektionsfläche ausfüllt, um nach Beendigung des Bewegungsablaufs erneut zu beginnen. Durch die Endlosbewegung entstehen beim Betrachter Assoziationen, aus denen sich Geschichten entwickeln können. „ 'Passage' is a work which troubles my eye and my thoughts. I have the feeling that the phenomenon film has been stripped to the bone, but still someone is pulling my leg. In the meantime, my eye is very much attracted by its movements in black and white. It could be a tunnel, it could be an elevator, it could be the beginning of a story. In fact, it is no more than what it is. Or isn't it?" (Marijke van Warmerdam).

Nadim Vardag untersucht in den unterschiedlichsten Medien wie Skulptur, Zeichnung und Film die Konstruktion medial vermittelter Bilder und hinterfragt die Mechanismen von Kino- und Filmproduktion. In der Arbeit The night (2005) verwendet Vardag die Untertitel des gleichnamigen Films von Michelangelo Antonioni. Die Abwesenheit von Bild und Ton legt den Fokus auf die geschriebenen Dialoge. Das Drehbuch als Ausgangspunkt einer Spielfilmproduktion scheint wiederzukehren und dient dem Rezipienten als Vorlage zur Inszenierung seines imaginierten Films. Der Betrachter wird zum Regisseur. Ebenso fordert die Arbeit Black Screen (2007) dazu auf, die schwarze Leinwand als Leerstelle mit individuellen Projektionen zu besetzen. Die skulpturale Arbeit stellt die mimetische Abbildung einer Projektionsfläche dar, disfunktional durch die schwarze Leinwand bleibt sie leer und somit abbildlos. Gleichermaßen weckt die Arbeit Erinnerungen an minimalistische Skulpturen und funktioniert wiederum als Projektionsfläche kinematografischer Erinnerungen.

Theo Ligthart analysiert in seiner Arbeit Avant-garde (Rainer, Kubelka, Ligthart) (2002) eine Ikone des Avantgardekinos – den Film Arnulf Rainer (1960) von Peter Kubelka. Rainer gab Kubelka den Auftrag eine Dokumentation über sein künstlerisches Schaffen zu produzieren und erhielt zu seinem Erstaunen einen ausschließlich aus weißen und schwarzen Kadern bestehenden Film, deren rhythmische Abfolge einer strikten Partitur unterliegt. Ligthart übersetzt diese Partitur in seiner Arbeit Avant-garde (Rainer, Kubelka, Ligthart) in einen Rhythmus von Licht und Dunkelheit, indem die Stromzufuhr zu einer Lichtquelle nach ebendieser Partitur synchronisiert wird. Mittel dazu ist eine kleine Box, deren Herzstück ein Prozessor ist, der den Stromfluss kontrolliert. Sie kann an jede beliebige Lichtquelle angeschlossen werden und somit jedes Wohnzimmer in ein Avantgarde-Kino verwandeln. Seine Arbeit Spielfilm (Director’s Cut) (2002-2004) im Oberlichtraum der Galerie orientiert sich formal ebenso an der Bildsprache des Avantgardefilms. Der Bruch mit der filmischen Narration im Experimentalkino wird ad adsurdum geführt, indem die in einem Satz zusammengefassten Plots aus dem Mainstream Kino in einem formal nachempfundenen Kino-Schaukasten präsentiert werden und damit an die Ästhetik der Standbilder in eben jenen verweisen. Es entsteht dadurch eine Parade von Textbildern, welche die Redundanz des herkömmlichen Erzählkinos auf ironische Weise vorführt und das individuelle Filmgedächtnis der Rezipienten unmittelbar anregt.

Andreas Fogarasi präsentiert in seinen monumentalen Siebdrucken end (2007) und 1974, 1975, 1976,... (2007) von Zwischentiteln aus seiner Videoinstallation Kultur und Freizeit (2006), die zuletzt auf der Biennale in Venedig zu sehen war. Die Größe der Arbeiten entspricht dabei der Projektionsfläche seiner Videos. Thema seiner Filme sind Kultur- und Bildungshäusern in Budapest, deren Architektur von der Veränderung der Programmierung erzählt und Fragen um die ästhetischen und strukturellen Vorstellungen ihrer Erbauer und Nutzer aufwirft. Die Zwischentitel, die ursprünglich auf einstige und gegenwärtige Realitäten der vorgeführten Architekturen verwiesen, werden aus den Videos extrahiert. Entkontextualisiert werden sie zu Projektionsflächen individueller Erinnerungen.

Der deutsche Künstler Wolfgang Plöger zeigt in seiner Installation untitled, (one, two flags) (2008) zwei Diaprojektionen von Dachlandschaften, dazwischen positioniert er eine Fahne, die im Wind eines Ventilators weht. Die statischen Projektionen werden durch die bewegte Schattenprojektion der flatternden Fahne belebt, das regungslose Bild wird so zu einem scheinbar kinematografischen. Schattentheater verschmilzt sich mit realistischer Fotografie zu einer poetisch anmutenden Installation. Die Verbindung des real anwesenden Objekts der Fahne und der nicht realen Dachlandschaft stellt die Frage nach Repräsentation von Realität durch den kinematografischen Apparat und der daran geknüpften Wahrnehmungsveränderung.

Die Installation des tschechischen Künstlers Ján Mancuska Sorry being so late (2007) entstand aus Fotografien, die er nahe seines Wohnortes im größten Park Prags aufgenommen hat. Über die Karte der Parkanlage legte er ein Raster, ging von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang von einem der 64 Rasterpunkte zum anderen und fotografierte von jedem Schnittpunkt aus die Umgebung. Somit markiert jeder der in der Installation von der Decke hängenden Filmstreifen einen Rasterpunkt und die von dort aus zu sehenden Parkperspektiven. Die Arbeit dokumentiert die gesamte Fläche des Parks und dessen Veränderung im Tageslicht. Präsentiert vor einer überdimensionalen Lichtbox kann der Betrachter die räumliche wie auch zeitliche Abfolge des Parks und des Tagesverlaufs erfassen, jedoch in einem vollkommen anderen Raum- und Zeitverhältnis. Durch die Wahl der Schnittpunkte als Kameraposition wurde scheinbar die gesamte Landschaft dokumentiert, jedoch werden eben diese Schnittpunkte zu blinden Flecken in der Parkdokumentation. Die hängenden Filmstreifen stehen für die Abwesenheit des Abbildes jener Orte, von denen aus der Park fotografiert wurde.

In Christophs Webers Arbeit Telefunken und Tesla (2007) treten zwei Tonbandgeräte aus den späten 50iger Jahren – Telefunken aus westdeutscher Herstellung, Tesla aus tschechoslowakischer Produktion – in einen scheinbaren Dialog. Die Maschinen geben Textfragmente wieder, die aus den deutschsprachigen Versionen unterschiedlicher Science Fiction Filme von den 50iger Jahren bis heute entnommen sind. Sie treten in fiktive Dialoge, die die wissenschaftlich aufgeladene Propagandaschlacht des Kalten Krieges im Fernsehraumschiff emotional dramatisiert repräsentieren. Indem Weber zwei typische Geräte des beginnenden Homerecordings einander gegenüberstellt, verweist er auf jene Zeit in der die Propaganda zwischen Ost und West auf ihrem Höhepunkt stand und durch mediale Vermittlungsformen Einzug in die Haushaltsarchive fand.

Der walisische Künstler Cerith Wyn Evans verbindet in seinen Arbeiten seit den frühen neunziger Jahren vielschichtige Referenzen auf Literatur, Poesie, Philosophie, Filmtheorie und moderne Naturwissenschaften mit formalen Anspielungen an die konzeptuellen Werkentwürfe der sechziger und siebziger Jahre. In raumgreifenden Installationen – an Wänden angebrachte Leuchtschriftzüge, Filmprojektionen und skulpturale Objekte – evoziert Wyn Evans dabei einen ästhetischen Kosmos, in dem der unabschließbare Prozess der subjektiven und assoziativen Wahrnehmung an die Stelle von Eindeutigkeit und Transparenz in der Informationsvermittlung tritt. Die ausgestellte Arbeit slow fade to black ... (reversed) (2004) stammt aus den subtitle series. Die räumliche Positionierung der Neonschrift in Bodennähe lässt die weiße Galeriewand zum Filmbild werden. Der Inhalt des Satzes steht im Widerspruch zum grellen Neonlicht und heller Wandfläche, so lässt Slow fade to black ein langsames Verschwinden des Bildes vermuten, wobei dieser Erwartungshaltung stets enttäuscht werden muss.

Für die gebürtige Inderin Manon de Boer ist Geschichte keine lineare Aneinanderreihung von Ereignissen, sondern die Erfahrung eines beständigen Prozesses, in dem selektive Erinnerungen in ganz bestimmter Weise in Beziehung gesetzt werden. Unter Verwendung der persönlichen Erzählung als narrative Methode, erkundet de Boer in ihren Arbeiten die Beziehung zwischen Sprache, Zeit und dem Anspruch auf Wahrheit. Die „erzählte Geschichte“ prägender Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Kontexten wie beispielsweise Sylvia Kristel – die als Emanuelle Darstellerin Berühmtheit erlangte – erlaubt der Künstlerin den Begriffen von Erinnerung und Überzeugung nachzugehen und hierbei allgemein die Übereinstimmung von gelebter Zeit und Geschichte zu hinterfragen. Sylvia, March 1&2, 2001 Hollywood Hills (2001) zeigt eine Nahaufnahme von Sylvia Kristel, die rauchend in die Kamera blickt. Das ratternde Geräusch des 16mm-Projektors wird zur Tonspur des stummen Dialoges zwischen der abgebildeten Person und der Künstlerin. Die Tradition der Porträtkunst wird verknüpft mit dem individuellen filmischen Gedächtnis.

Der Film Sherlock Jr. (Buster Keaton, 1924) von Christian Mayer läuft im Rahmen der Ausstellung [scene missing] als Vorfilm zum regulären Filmprogramm im Top Kino. Ein Vorfilm der ganz ohne Bilder auskommt. In Form einer Beschreibung, wie man sie als Filmkommentar für Blinde und Sehbehinderte kennt, wird hier eine Szene aus dem Buster Keaton Film Sherlock, Jr. erzählt. Während der Filmprojektor nur weißes Licht auf die Leinwand wirft, beschreibt eine Stimme, wie Keaton durch die Leinwand eines Kinos in einen Film hineinspringt, um als handelnder Akteur in eine Kette von Missgeschicken zu stolpern, da er die Diskontinuität von Zeit und Raum im Film nicht verstehen will. Indem das ursprüngliche filmische Bild durch eine mündliche Erzählung ersetzt wird, erweitert dieser Tonfilm die komplexe Architektur von Keaton's Film in den Zuschauerraum hinein. Die Erzählung platziert die Geschichte direkt in unserer Imagination und ermöglicht uns die Vorstellung eines Raumes, in dem zwischen Fiktion und Realität nicht mehr zu unterscheiden ist.

Text / Kurator: Fiona Liewehr