Elke Krystufek --
Das von Elke Krystufek zuvor im Portikus Frankfurt (1.7.–20.8.2000) gezeigte Projekt Nobody has to know bezieht sich auf einen Titelsong der kalifornischen Band Spain, deren Konterfeis sich auf je einer Seite der elf begehbaren Stoffgehäuse finden. Ein Vorhang auf der jeweils gegenüber liegenden Seite lädt dazu ein, die intimen Räume der „Zelte“ zu betreten, wo man, allein mit einer Schaufensterpuppe, sich über einen Walkman private, signifikante Geschichten aus dem Leben der Künstlerin anhören kann. In Englisch, mit sanfter Stimme und weichem Akzent, von Elke Krystufek selbst vorgetragen.(1)
[…] Auf ihrer Suche nach den Bruchstellen in den Grenzen des Wortes führt uns Elke Krystufek immer wieder zu Wittgenstein: „[…] wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen“, sagt dieser im Vorwort des Tractatus logico-philosophicus. Darin liegt der Schlüssel der Beziehung von Krystufeks Werk zur Sprachphilosophie Wittgensteins: die Benutzung von Sprachspielen, um auf das Unsagbare zu zielen. Die Künstlerin bemerkt: „Durch das Hören von Popmusik wurde Englisch die Sprache für mich, mit der ich das Unsagbare, peinliche Dinge sagen konnte.“(2) […] Das Verbotene findet den Ausweg in der Überschreitung der sozialen Norm des Unsagbaren im Skandal, das Unsagbare in der Diktion dessen, was mit anderen Kommunikations- und Ausdrucksmitteln noch gesagt werden kann. Was ihre persönliche Erfahrung mit Sprache und deren logozentristischem Charakter betrifft, hat Krystufek jedoch einen Verdacht: „Sie scheint auch eine Geschichte des täglichen Verlusts von Unschuld zu erzählen – je mehr Erkenntnisse ich gewinne, desto mehr verliere ich immer auch etwas.“(3)
Das Werk Krystufeks ist ein Kampf für die Einschreibung des Begehrens in Sprache. Sie leidet an dem Exzess des Begehrens und an einem Mangel an Begehren. Aus der extremen Verschärfung heraus […] nimmt Krystufek den „Körper ohne Organe“ auseinander und erforscht seine Funktionen. Durch Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Videos, Performances produziert Krystufek eine Epidemie an Partialobjekten. Indem sie eine gewisse körperliche Erregbarkeit produziert (Blick, Berührung, Mobilisierung …), scheint Krystufek ein bewusstes, sowohl fluktuierendes als auch maskiertes Begehren zu artikulieren und zu verstärken. Aber es gibt auch die Sehnsucht nach dem unbewussten Begehren. Gegen die Zonen von Heimlichkeit in ihrem Werk lässt Krystufek die schonungslose Direktheit als ihre Form von Transparenz wirken. […]
(1) Anmerkung der Redaktion
(2) Elke Krystufek in einem Brief an den Autor, 23. Januar 2000: „In meinem persönlichen Tagebuch habe ich schon seit 1987 englisch geschrieben, das erste größere Werk in Englisch habe ich sieben Jahre später gemacht.“
(3) Elke Krystufek in einem Brief an den Autor, 20. Februar 2000
Paulo Herkenhoff, „Elke Krystufek – Fremde in ihrem eigenen Bett“, in: Katalog Elke Krystufek – Nobody has to know, Portikus, Frankfurt/M. 2000, S. 15-27.