Agnieszka Polska -- Gardener´s Responsibility
Ausgangsmaterial für die Videos und Photocollagen der jungen polnischen Künstlerin Agnieszka Polska (geb.
1985) sind zumeist gefundene Photographien oder Bilder aus kunst und -naturwissenschaftlichen Magazinen
der 60er und 70er Jahre. Durch die Manipulation und Re-Kontextualisierung der historisch aufgeladenen Bilder
deutet Polska auf die sich mit der Zeit veränderten Gedächtnis- und Erinnerungsleistungen hin, durch die sich
Geschichtsschreibung stets neu konstruiert und (re-)interpretiert.
Agnieszka Polska widmet sich in ihrer ersten Einzelausstellung in Österreich darüber hinaus dem artifiziellen
Potential von Natur und ihrer Repräsentationskultur im (kultur-)wissenschaftlichen Diskurs. Ihr Projekt
„Gardener’s Responsibility” besteht aus dem Video „The Garden” und aus zwei Serien von Photocollagen,
die das Problem der Abwesenheit als bewusste Geste und den freiwilligen Selbstausschluss thematisieren.
In ihrem Video nimmt Polska Bezug auf den polnischen Künstler Paweł Freisler, der in den 60er und 70er
Jahren aktiv war, in den späten 70er Jahren seine künstlerische Karriere endgültig beendete und nach
Schweden zog, um sich fortan der Gartenarbeit zu widmen.
Freisler ist maßgeblich für seine Kunst, Geschichten zu erzählen, bekannt, einer ephemeren Praxis, die vor
allem seine Erzählungen über eigene Performances und Kunstwerke betrifft und deren Wahrheitsgehalt nicht
zu überprüfen ist. Unter diesem Gesichtspunkt kann Freislers totaler Rückzug vom öffentlichen Leben und von
der Kunstwelt wie eine weitere Geschichte gedeutet werden, die entscheidend zu seiner Legendenbildung
beigetragen hat.
Sein „mystischer” Garten, zu dem er jeglichen Zutritt verwehrt, kann als neuer, verborgener
Handlungsspielraum seiner Performances angesehen werden. Polskas Video zeigt einen hypothetischen
Besuch in Freislers schwedischem Garten, von einem fiktiv geführten Interview mit dem Künstler begleitet. Die
Künstlerin bedient sich einer gebrochen narrativen Struktur, ohne eine ganze Geschichte zu erzählen.
Filmsequenzen werden von Photos von Zellstrukturen oder Pflanzendetails unterbrochen und entwickeln eine
fragmentarische Erzählung, die auf ein nichtvorhandenes und nichtdarstellbares Ganzes verweist und zur
Aufrechterhaltung des Mythos um Paweł Freisler beiträgt.
Die Photographien Polskas wurden am Computer aus unzähligen Fragmenten biologischer Detailaufnahmen
collagiert. Es entstehen Porträts von filigranen, hochkompliziert aufgebauten Skulpturen aus Moder, Stroh
und Geäst - möglichen Abfallsprodukten eines Gärtners - die ihren artifiziellen, teilweise surrealen Charakter
vor allem dann offenbaren, wenn die Künstlerin Alltagsgegenstände wie Brillen oder Teelöffel miteinspinnt.
Agnieszka Polskas Projekt unternimmt den Versuch, die Gegenwart mittels Rückgriff auf historische Ereignisse
und Erzählungen neu zu interpretieren. Sie legt die Mechanismen von Erinnerung an die Vergangenheit als
subjektive Gedanken und (Be)Deutungscollage frei und macht so deutlich, dass sich Geschichtsschreibung
stets neu konstruiert und nie nach „wahrhaften“ objektiven Kriterien definiert werden kann.
Text: Agnieszka Polska/Fiona Liewehr