Raymond Pettibon -- Zeichnungen der 80er Jahre

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Raymond Pettibon
Zeichnungen der 80er Jahre
15/10/1998 - 14/11/1998

[…] In Pettibons Werk markieren der Mord an Sharon Tate durch die Anhänger von Charles Manson und das Rolling-Stones-Konzert von Altamont, bei dem als Aufpasser eingesetzte Hells Angels einen schwarzen Konzertbesucher töteten, den allzu frühen Zusammenbruch der hochtrabenden Hoffnungen und Ansprüche der 68er Generation: Pettibons Werk, in dem dieses Scheitern zu Wort kommt und seine oft erschreckenden Bilder findet, ist ein schlagendes Beispiel dafür, wie ein Künstler aus der Untergrundkultur zu einem anerkannten Vertreter der so genannten Hochkultur aufsteigt. […]

Für [Pettibons Werk] gilt, dass man für ein adäquates Verständnis der Anspielungen und Hintergründe ein beträchtliches Wissen über die politische und soziale Entwicklung der USA in den letzten 40 Jahren braucht: über die großen Themen, die die Medien in diesen Jahren aufgegriffen und ins Bewusstsein des Durchschnittsamerikaners eingeprägt haben, aber ebenso über Alltagskultur und so verschiedene Gruppen wie die Surfer und Hippies im Kalifornien der 60er und frühen 70er Jahre. Der Beschauer der Werke Pettibons muss wissen, wer Charles Manson, Sharon Tate, Patty Hearst, „Lady Bird“ Johnson, Lee Harvey Oswald und viele andere sind und wie sie aussehen; er muss die Musik von Grateful Dead, Songtexte, bestimmte Comicfiguren und Filmhelden kennen, um zu verstehen, worauf Pettibon Bezug nimmt. […]

[Es] wird immer wieder hingewiesen auf die Beziehung von Pettibons [Arbeiten zu denen] des englischen Visionärs William Blake, der sich bei seiner Darstellung des Kampfes zwischen Himmel und Hölle ebenfalls des Bild-Textes als Grundprinzip bediente. […] Die Arbeiten von Pettibon spielen auf die einfache und klar strukturierte Welt der Comics an, sind aber keine Comics. Es ist gerade das Verletzen der professionellen Regelmäßigkeit, das auf den Unterschied der Intentionen und Inhalte bei Pettibon verweist. Anders als beim typischen Comic, bei dem Bild und Text mehr oder weniger mechanisch ineinander greifen und eine lineare Handlung abwechselnd vorantreiben, treten Bild und Text bei Pettibon in ein oft unauflösliches Spannungsverhältnis. Dem Bild haftet auf den ersten Blick, einfach durch die Tatsache, dass es einen bekannten Gegenstand abbildet, etwas Selbstverständliches an, das es bei Pettibon allerdings auf den zweiten und dritten Blick verliert. Zum scheinbar offensichtlichen Bild tritt dann ein Text hinzu, der keinen direkten Zusammenhang herstellt. Man kann hier durchaus von einer zum Bauprinzip erhobenen Form der Diskrepanz oder Dissoziation sprechen. […]

Was Pettibon in seinem Werk entstehen lässt, ist so etwas wie eine zeitgenössische Ikonografie der Apokalypse. Dabei können die verschiedenen Variationen auf ein bildliches Motiv mit gänzlich verschiedenen, untereinander gar nicht zusammenhängenden Texten versehen sein: Dies gilt in ganz besonderem Maß für so oft wiederkehrende Motive wie das fahrende Auto, den Zug, Stalin, das brennende Kreuz, die Bibel.

Andreas Hapkemeyer, „Raymond Pettibon: The Pages Which Contain Truth Are Blank“, in: Ausstellungskatalog Raymond Pettibon: The Pages Which Contain Truth Are Blank, Museion – Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, Bozen, Galleria  d’Arte Moderna di Bologna, Innsbruck 2003, S. 4 ff.