Rosa Rendl -- Colour Charts
Rosa Rendl, Rouge, 2021, Archiv-Pigmentdruck auf Hahnemühle Photo Rag Ultra Smooth in Rahmen der Künstlerin, 40 x 30 cm, Ed. 3 + 2AP
Rosa Rendl, Modefarben der Saison, 2021, Archiv-Pigmentdruck auf Hahnemühle Photo Rag Ultra Smooth in Rahmen der Künstlerin, 51 x 70 cm, Ed. 3 + 2AP
Rosa Rendl, Perfect Rose, 2022, Archival Pogment Print on Hahnemühle Phot Rag Ultra Smootg in Artist's Frame, 51 x 70 cm, Ed. 3 + 2AP.
Rosa Rendl, Renew, 2022, Archival Pigment Print on Hahnemühle Photo Rag Ultra Smooth in Artist's Frame, 70 x 51cm, Ed. 3 + 2 AP.
Rosa Rendl, Colore Fluorescente, 2021, Archival Pigment print on Hahnemühle Photo Rag Ultra Smooth in Artist's Frame, 70 x 51 cm, Ed. 3 + 2 AP.
Rosa Rendl
Colour Charts
Ausstellungsdauer: 12. März – 30. April 2022
“Ocean drop” und “Homecoming” sind Schattierungen von Nagellack. Wände lassen sich in Farben wie “Steinblaue Schönheit” (ein “elegantes blaugrau”) oder “Zauber der Wüste” (ein “zartes Sandbeige”) streichen. Farbtöne von Kosmetika liefern ein poetisches Gebrauchswertversprechen, während Textilien und Garne farblich häufig nach nüchternen Zahlencodes differenziert werden. Farben im Sinne eines Produktmerkmals markieren nicht bloß mögliche Nuancen, sondern spannen als visuelle Zeichenträger ein assoziatives Feld auf, das Geschmack an Lifestyle koppelt.
Farbkarten, Farbfächer und Produktsamples präsentieren diese affektiv besetzten Farbwelten und zeigen das Spektrum des Konfektionierbaren eines an sich gleichbleibenden Produkts. Als partielles Surrogat der eigentlichen Ware steht die Farbkarte für ein aufgeschobenes Begehren, denn sie markiert eine Vorstufe des eigentlichen Konsums. Wo Standard vorherrscht, verspricht sie Individualisierung, wo Prä-Selektion das Angebot reduziert, suggeriert sie grenzenlose Auswahl und fächert das Repertoire des Möglichen auf. Sie ist damit Repräsentantin einer Welt, die Individualisierung immer stärker betont, in Zuge der voranschreitenden Globalisierung alles jedoch vereinheitlicht.
Rosa Rendl hat exemplarische Farbkarten und Produktsamples aus der Zeit von 1960 bis heute gesammelt. Ihre Fotografien setzen sie in Szene, als handele es sich um Produkte für einen Katalog. Es sind Aufnahmen, wie man sie aus der Reprofotografie kennt – sachliche Wiedergaben von Gegenständen, bei denen sich die Kamera jeder interpretierenden Perspektivierung zu enthalten scheint. Die formale Ausrichtung und der scheinbare Verzicht auf alles Erzählerische betonen die Übersetzung des Gegenstandes in den zweidimensionalen Raum der Fotografie, seine abstrakte Bildwerdung. Die satte Farbigkeit, die die Textilproben, Farbfächer und Beispielbilder vermitteln, präsentiert sich meist in einem geometrischen Raster. Dominant ist in diesen die klassische Studiofotografie zitierenden Aufnahmen allerdings das kühle Weiß des Hintergrunds – eine Neutralität suggerierende Farbe, die Individualität und Extravaganz geradezu bürokratisiert. Vor allem diese Bruchlinie zwischen dem Schwelgen in Farbe und seiner fotografisch arretierten Suspension prägt die nur scheinbar nüchternen Werke. Sie zeigen abwesende Waren im Zustand ihrer Potenzialität, in einem Schwebezustand, in dem noch alles möglich zu sein scheint. Das verleiht ihnen eine gewisse Melancholie. Gleichzeitig zelebrieren sie eine, wenn nicht die Essenz des Fotografischen: seine Farbigkeit, gerade weil sie hier ein Möglichkeitsfeld aufspannt statt einem konkreten Gegenstand anzuhaften.
Die lakonische Inszenierung von Produkten und Dingen, die cool wirken oder indifferent, die uns anziehen oder gleichgültig lassen, ist typisch für Rosa Rendls Fotografie. Selbst Designerin von Swimwear, hat Rendl sich intensiv mit Modefotografie beschäftigt, sich deren Produktblick angeeignet und ihn zugleich sublimiert. Materialitäten und Texturen spielen in ihren fotografischen Arbeiten eine wichtige Rolle, aber das latent Verführerische wird bewusst ausgebremst und konzeptuell überlagert – und lässt sich dennoch nicht unterkriegen. Wo es vom Gegenstand abzufließen scheint, holt es die Sprachebene wieder ins Bild hinein. Die Opulenz der Farbprosa produziert einen konnotativen Überschuss, der sich über das Sichtbare legt, es umwirbt, becirct und erstrahlen lässt, bis Farbe und Wort etwas Drittes bilden, das unsere Subjektivität zutiefst affiziert.
Vanessa Joan Müller