Bernhard Leitner -- The Saving of the Wittgenstein House, Vienna (1969–1971)

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Bernhard Leitner
The Saving of the Wittgenstein House, Vienna (1969–1971)
14/09/2011 - 12/11/2011

„Aber wer ist schon Wittgenstein?“
(Die Presse, Wien, 18. 6. 1971)

Zum vierzigsten mal jährt sich dieses Jahr die Rettungsaktion des Wittgenstein Hauses. Was viele nicht wissen: Dieses einmalige Zeugnis der architektonischen und gestalterischen Begabung des Philosophen Ludwig Wittgenstein wäre Ende der 1960er Jahre beinahe wegen Grundstücksspekulationen der behördlichen Ignoranz zum Opfer gefallen und abgerissen worden. Das von Ludwig Wittgenstein erbaute Haus in der Kundmanngasse 19 in Wien ist das einzige architektonische Werk des berühmten Philosophen. In einer abenteuerlichen Rettungsaktion hat der österreichische Künstler und Architekt Bernhard Leitner in den Jahren zwischen 1969-1971 die Rettung dieses Hauses von New York aus initiiert und erreicht. Mit einer Ausstellung über diese Rettungsaktion möchte die Galerie Georg Kargl an die Vorgänge von damals erinnern und die Aufmerksamkeit auf dieses besondere Haus lenken.

Zwischen 1926 und 1928 entwarf der Philosoph Ludwig Wittgenstein, zunächst gemeinsam mit dem Adolf-Loos-Schüler Paul Engelmann, das Haus für seine Schwester Margarethe Stonborough. Das Haus ist keine Materialisierung von Wittgensteins Philosophie. Der Bau muss vielmehr als Materialisierung von Wittgensteins Gedankenwelten, von seinen Ansichten über Ästhetik im Allgemeinen und Architektur im Speziellen gesehen werden. Dies verleiht dem Bau seine Einmaligkeit. Obwohl es fast zeitgleich mit den wichtigsten Beispielen der klassischen Moderne entstanden ist, ist das Wittgenstein Haus kein Haus dieser Moderne. Letztlich scheint die intensive Beschäftigung mit Bauen und mit Fragen der Ästhetik zu neuen philosophischen Fragen bei Wittgenstein geführt zu haben. Bernhard Leitner beschreibt es so: “Einer der verblüffendsten Aspekte von Wittgensteins baukünstlerischer Arbeit ist die Ästhetik der Schwerelosigkeit. Er wählt das Material Metall, um Schärfe, Genauigkeit und Präzision zu erreichen, versteht es aber, durch seine genaue Kenntnis der Mechanik, der Gesetze von Energie, von Kraftübertragung und Reibung das Gewicht von Metall aufzulösen. Die schwerelose Bewegung von schweren Metall-Türen und Metall-Kurtinen lässt sich nicht abbilden; Sie offenbart sich nur im Gebrauch, in der Bewegung.”

Bernhard Leitner, damals in New York lebend, stieß in Amerika auf großes Interesse an dem Haus und begann sein Geschick von dort aus zu lenken. Für die Recherche zu einem Artikel im Artforum New York wurde ihm im Sommer 1969 der Zugang zu dem Haus gewährt,  dessen höchst spezifisches Inneres der Öffentlichkeit bis dato unbekannt war. In einem zwiespältigen Briefwechsel mit dem damaligen Eigentümer Thomas Stonborough, dem Neffen von Ludwig Wittgenstein, erfuhr Bernhard Leitner von der bedrohlichen Situation für das Haus. Durch diverse Artikel in New York, Hamburg und London, durch Briefwechsel mit Philosophen und Universitäten in den USA, Gesprächen mit dem Generalkonsul in New York, mit  Politikern und Journalisten in Wien, bemühte sich Bernhard Leitner nicht nur auf die Einmaligkeit und den künstlerischen Wert von Wittgensteins Bau hinzuweisen, sondern vor allem den von der Stadt Wien durch Umwidmung geplanten und vom Denkmalamt zugelassenen Abriss öffentlich zu machen und zu verhindern. Auch wenn er international so berühmte Künstler wie Max Bill für seine Sache gewinnen konnte, blieb bis ganz zum Schluss unklar, ob die Rettungsaktion glücken sollte. Am 18. Juni 1971 war im Gemeinderat dem Antrag auf Umwidmung bereits stattgegeben worden und somit stand dem Abbruch des Wittgenstein Hauses und dem Bau eines sechzehnstöckigen Hotels an demselben Ort nichts mehr im Wege. Durch einen Notruf in der „Presse“ und eine in letzter Sekunde durch Bernhard Leitner umfunktionierte Pressekonferenz des Denkmalamtes am 21. Juni 1971 konnten diese Planungen aufgehalten werden. Bernhard Leitners Einsatz haben wir es zu verdanken, dass ein Bauwerk von so hoher künstlerischer, kultureller und geschichtlicher Wichtigkeit für die Nachwelt bewahrt wurde. Mit Fotografien, Briefen und Dokumenten und einem 13 kurze Kapitel umfassenden Text, der sich wie ein Kriminalroman liest, hat Bernhard Leitner die Stationen seiner Rettungsaktion festgehalten.

Text: Marie Duhnkrack