Katrina Daschner -- The Borrowed Eye of a Needle

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Katrina Daschner, Pearled Sea, 2024

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Katrina Daschner, Sea Eggs, 2024

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Katrina Daschner, Heavy Needle (Needled), 2024

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Katrina Daschner, Heavy Needle (Fluorescent Tentacle), 2024

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Katrina Daschner, Heavy Needle (Coral), 2024

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Katrina Daschner, Stage Tentacles, 2024

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Katrina Daschner, Heavy Needle (Trace), 2024

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Katrina Daschner, Sea Bubbles, 2024

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Katrina Daschner, My Body on the tree, 2024

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Katrina Daschner, My body breathing, 2024

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Katrina Daschner, Red Tentacles, 2024

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Katrina Daschner, Nadelstelzen / Needlestilts, 2024

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Katrina Daschner, Amazone mit Nadel (frontal) / Amazon with Needle (frontal), 2024

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Katrina Daschner, Sisters with Tentacles, 2024

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Katrina Daschner, Dancing Needles, 2024

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Katrina Daschner, Amazone (Blau) / Amazon (Blue), 2024

Katrina Daschner
The Borrowed Eye of a Needle
08/03/2024 - 27/04/2024

Katrina Daschners multimediales Oeuvre, das Film, Performance, Malerei, skulpturale Objekte, Zeichnung und Installation sowie kollaborative Praxis umfasst, ist primär performativ. Es thematisiert und inszeniert Modi des Seins und Nicht-Seins, die aus Fragen der queeren (Un-)Sichtbarkeit, der Befreiung des Körpers von heteronormativen Codes und der Freude/Lust an Akten der Solidarität und des Widerstands entstehen. Verwurzelt im Selbst und im Autobiografischen, ist Widerstand  für Daschner jedoch immer kollektiv. Die Sehnsucht nach Wahrnehmbarkeit, der Wunsch, alle Aspekte unseres Lebens intensiv zu spüren, manifestiert sich visuell in der Verwendung unterschiedlicher (textiler) Materialien durch Stick-, Näh-, Häkel- und Stricktechniken, in leuchtenden, kräftigen Farben, glänzenden und weichen Oberflächen sowie im engen Dialog mit dem Raum. Ob in ihren Filmen oder bei Ausstellungen, Daschner nähert sich dem Raum als Bühne an und schafft Welten, die von ihren lebendigen, wandelbaren Charakteren bewohnt werden. Für die Ausstellung bei Georg Kargl Fine Arts verzichtete die Künstlerin auf ihre filmischen Arbeiten und legte den Fokus auf skulpturale und textile Werkgruppen (alle Werke 2023–2024), die in einem Environment aus farbenfrohen, wässrig kolorierten Wandmalereien, die mit ihren Aquarellen korrespondieren, ausgestellt sind. Doch die Farbgebung in Daschners Werk hat noch eine weitere Dimension, als Gesamtkunstwerk im Raum betrachtet, bilden ihre Werke einen Regenbogen. Ein Symbol mit dem Katrina Daschner bewusst arbeitet, um sich auf die LGTBIQ+- Community zu beziehen.

Textil wurde als Material historisch oft als weibliches Handwerk und nicht  als künstlerisches Medium wahrgenommen. Das Arbeiten mit Textilien wurde zum Sinnbild für tugendhaften Fleiß und spiegelte die Wertvorstellungen einer Gesellschaft wider, die es Frauen nicht ermöglichte ihre Phantasie und ihre Ambitionen auszuleben. Im letzten Jahrzehnt gewinnt das Medium in der Kunstwelt jedoch zusehends an Anerkennung. In ihrem Artikel „Umfrage zur Bedeutung des Textilen innerhalb zeitgenössischer Denk- und Praxisformen“ aus dem Jahr 2014, stellen Rike Frank und Sabeth Buchmann fest, dass Textilien in den Jahren vor der Veröffentlichung ihres Artikels im Mittelpunkt zahlreicher Forschungsprojekte und großer Ausstellungen standen.[1] Zehn Jahre später sind Ausstellungen, die sich dem Einsatz von Textilien als künstlerischem Medium in der (zeitgenössischen) Kunst widmen und Einblicke in regionale Ausdrucks-, Erfahrungs- und Sozialpraktiken vor allem von Künstlerinnen bieten, immer noch omnipräsent. „Ich fange irgendwo an und von dort aus dehnt sich das Ganze instinktiv aus“, sagt Daschner über ein gewisses Freiheitsgefühl, das sie in der Stickerei findet, die seit Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn Mitte der 90er-Jahre in ihrer Arbeit stets präsent ist. Gleichzeitig ist sie eine zusätzliche, abstrakte Art sich ihren filmischen Arbeiten zu nähern (die sogenannten „gestickten Storyboards“).[2] Die Nadel ist ihr Werkzeug und, wie die Künstlerin es ausdrückt, „der handlichste Stift, um meine inneren Gedanken aufzuschreiben.“ Mit ihr fordert sie durch den rhythmischen, intimen Akt des Nähens sowohl Raum als auch ihre eigene Narration, die sich weiterentwickelt und wächst, ein. An den Wänden hängen filigrane Stickereien auf blauem und grünem Stoff, Reminiszenzen an ihr filmisches Werk, in denen sie farbige Fäden mit winzigen, glänzenden Perlen kombiniert (Water Beings (blaue Serie), 2024); Stickereien mit goldenen Nadelobjekten, 100 x 100 cm groß (Heavy Needles, 2024); und goldene Nadelobjekte aus Messing, 70 cm groß, mit Häkelarbeit (Silver/Golden Eggs on Golden Needle, 2014/2024). Sehr persönlich für die Künstlerin ist die gestickte Serie My Body, 2024. Hier liest man handschriftlich gestickt: „My body on the tree / My body fragmenting / My body breathing / My body untangling / My body unfolds.”

In ihren neuen skulpturalen Arbeiten ist Daschners Nadel kein verstecktes Werkzeug textilen Arbeitens mehr – sie wird selbst zum Körper, hundert-, tausendfacher Lebensgröße, überlebensgroß. Dieses kleine, schlanke Instrument mit spitzem Ende, typischerweise mit einem Öhr zum Einfädeln an einem Ende, das zum Nähen von Hand verwendet wird, hat nun Gewicht[1] – gemacht aus Messing, glänzend in Silber- oder Goldtönen, versucht es, gegen die Gesetze der Schwerkraft anzukämpfen während es einmal in der Luft schwebt und ein anderes Mal mit buntem Strickgarn verziert ist. Bei der Definition dessen, was das „Subjekt“ im Gegensatz zu seinem Gegenstück, dem „Objekt“, ist, bezieht sich Hegel auf Aristoteles, für den ein Subjekt das ist, was sich von selbst bewegt. Sich aus eigener Kraft zu bewegen ist für Hegel eine Arbeit der Selbstreflexion; Das Objekt zeichnet sich vor allem durch seine Unbeweglichkeit aus. Das Subjekt spiegelt seine eigene Andersartigkeit und Differenz wider und bewegt sich durch die Zeit, während das Objekt den Raum einnimmt; ein Subjekt kann daher nur im Prozess der Subjektivierung, des ständigen Werdens existieren. Im Kontext all der diversen Subjekte, die in Daschners vielfältigem Werk existieren – von ihren frühen Collagen und Selbstinszenierungen bis hin zu Performances und Filmen – werden die Amazon Needles (2023/24) zu Schwertern und Waffen, zu den autarken Wesen, die, wie die Künstlerin es ausdrückt, „dem Publikum ihre Augen leihen können.“ Sie sind Kameradinnen, Schwestern. Transformation und Metamorphose sind Schlüsselkomponenten beim Erzählen der Geschichte der Unterdrückten. Durch das Geschichtenerzählen haben Randgruppen – Frauen, LGBTIQ+-Gemeinschaften – in der Vergangenheit zum Ausdruck gebracht, wie sie ihre Situation verändert, Ungerechtigkeit angefochten und ihr Recht auf Selbstbestimmung durch individuelle Handlungen und kollektive Organisation und Mobilisierung geltend gemacht haben. Die symbolischen und metaphorischen Dimensionen des Erzählens sind von entscheidender Bedeutung in Kontexten, in denen marginalisierte Stimmen oft zum Schweigen gebracht oder übersehen werden; Das Erzählen von Geschichten wird zu einem Akt der Bewahrung und des Widerstands.

Geschichtenerzählen ist ein essenzieller Teil von Katrina Daschners künstlerischer Praxis. Sie erschafft Erzählungen, die die Vorstellungen von Geschlechterkategorien, (körperlicher) Stärke und sozialer Handlungsfähigkeit neu definieren. Die Serie von Aquarellen (alle 2024), die im letzten Raum der Galerie ausgestellt ist, zeigt Porträts von Frauen als imaginäre Tierwesen (als Quallen, manchmal als Insekten), als animalische Frauen, wilde und weise Frauen, zart und verletzlich, zweifelnd, zögernd und ambivalent in ihren Entscheidungen, Heilige und Sünderinnen, die Nadeln als Schwerter halten, um sich selbst und ihre Gemeinschaft zu schützen, einen widerstandsfähigen kollektiven Körper zu bilden und weiterzumachen. Eine Nadel kann verletzen und heilen; mit einer Nadel kann man verletzen und heilen; sie trägt die Möglichkeit in sich, Geschichten neu zu erzählen, neu zu schreiben. 

Hana Ostan Ozbolt
(Übersetzung Georg Kargl Fine Arts)

[1] Der Artikel wurde erstmals veröffentlicht in Texte Zur Kunst (Ausgabe 94, Mai 2014, und ist online zu finden unter https://www.textezurkunst.de/en/94/survey-significance-of-textiles/) und resultierte in der Publikation Textile Theorien der Moderne. Alois Riegl in der Kunstkritik (b-books, 2015).

[2] Alle Zitate der Künstlerin in diesem Text basieren auf einem persönlichen Gespräch mit Katrina Daschner am 25. Februar 2024.

[3] “The body is weight. Laws of gravity involve bodies in space. But first and foremost, the body itself weighs: it is sunk into itself (…)” Jean Luc Nancy, Corpus, Fordham University Press, 2008, S. 7.